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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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dem Abbau der industriellen Arbeitsplätze, der Mitte der achtziger Jahre begann, wandelte sich die soziale zur unternehmerischen Stadt. Die alten Industrien wanderten in die Entwicklungsländer ab, wo die Produktionskosten niedrig waren. In den westlichen Metropolen ließen sich die Dienstleistungsindustrien nieder, Werbe- und PR - Agenturen, Unternehmensberatungen, Immobilienfirmen, Medienkonzerne, die Unterhaltungsindustrie. Neue Menschen für die neue Wirtschaft – gebraucht wurde jetzt eine höher gebildete, besser verdienende und konsumfreudige Schicht: die globale Elite der kulturell Kreativen. Um diese »neue Intelligenz« anzulocken, startete etwa Hamburg bereits 1985 eine 4,5 Million D-Mark teure Kampagne: »Hamburg – das Hoch im Norden« hieß der Lockruf des damaligen SPD -Bürgermeister Klaus von Dohnanyi, der sich an »Unternehmensinhaber, leitende Angestellte, freie Berufe und Selbstständige« richtete. Hamburg dürfe sich nicht in eine Stadt verwandeln, »in der die sozial Schwächeren zwar eine Chance haben, aber die sozial Starken, als die Besserverdienden, das heißt, die kräftigeren Steuerzahler, sich abgewertet fühlen«, sagte Dohnanyi. 180
    Man nennt das heute Standortmarketing – denn die Städte sind längst nicht mehr Orte des Sozialen, sondern gerieren sich als Unternehmen und treten im Wettbewerb um Standortvorteile gegeneinander an. Je mehr Wohlhabende in der Stadt, desto besser. Sie haben Geld für Eigentum, Konsum und Investitionen. An ihnen verdienen Projektentwickler, Architekten, Baufirmen, PR -Agenturen und Konsumgüterkonzerne.
    Die Stadt muss deshalb versuchen, sich als Marke zu etablieren. Dazu gehören etwa Landmarks, unverwechselbare Kennzeichen mit globalem Wiedererkennungswert. In Hamburg sollte das die Elbphilharmonie werden, ein monströser Aufbau auf dem Kaiserspeicher A in der Speicherstadt, gestaltet vom Schweizer Star-Architekten-Duo Herzog & de Meuron. Eine eigene »Freiheitsstatute«, wie der Spiegel schrieb. 181 Das Gebäude nahe der Hafencity, ein weiteres Vorzeigeprojekt der Hansestadt, sollte, so das damalige Versprechen, mit Spenden Hamburger Großbürger mitfinanziert werden sowie mit dem Verkauf von Luxuswohnanlagen. »Die Elbphilharmonie sorgte als Bekenntnis der Stadt zur Entwicklung der Hafencity für das nötige Zutrauen der Investoren«, sagte Ole von Beust. 182
    Heute ist die Elbphilharmonie der größte Bauskandal der Republik; wegen Nachforderungen des Bauunternehmens Hochtief wird er den Hamburger Haushalt mit mindestens 476 Millionen Euro belasten. 183 Mehr als 40 Prozent der städtischen Ausgaben für Kultur gehen laut Twickel an die Elbphilharmonie, die allenfalls ein äußerst betuchtes Publikum anlocken wird: eine Bühne für die Megastars und dazu noch ein Fünf-Sterne-Hotel, das darin eröffnet werden soll. Diese sowie die Luxus-Appartments sind für die, die das Bauwerk nun finanzieren müssen, die Hamburger Bürger, kaum zugänglich. Doch zeitgleich verkündete Bürgermeister Ole von Beust, wegen des jährlichen Haushaltsdefizits dürfe es beim Sparen »keine Tabus« geben. 184
    Frankfurt: die Vertreibung aus dem Einkaufsparadies
    Für die kaufkräftigen Städter werden auch neue innenstädtischen Shopping-Welten geschaffen: Nicht mehr nur Kaufhäu ser und Kettenläden reihen sich dort aneinander, sondern auch die Flagshipstores (zum Teil teurer) Marken wie Fred Perry, Puma, Adidas, American Apparel und Apple. Seit 1990 haben sich die Verkaufsflächen in den Innenstädten fast verdoppelt. In Großbritannien nennt man diese bereits »Malls without Walls«. In Liverpool, der europäischen Kultur hauptstadt 2008, ist diese Entwicklung besonders drastisch. Fast das komplette Zentrum der ehemaligen Arbeiterstadt wird dominiert vom gigantischen Einkaufszentrum »Number One«, dessen Gebäudeteile sich fast krakenartig in alle Richtungen ausbreiten. Doch es gibt auch eine Renaissance der Einkaufszentren: Sie sind von der grünen Wiese und den Rändern der Städte zurück in die Zentren gezogen. Entworfen von Stararchitekten, sind sie die neuen Attraktionen und Sehenswürdigkeiten. So zum Beispiel »My Zeil«, der gigantische Glaspalast des Architekten Massimiliano Fuksas mit 100 Geschäften auf einer Verkaufsfläche von 47 000 Quadratmetern, der den wunderbaren Super lativ für sich beanspruchen kann, über die längste Rolltreppe Deutschlands zu verfügen. Auf dem Gelände standen einst das Hauptpostamt und der Fernmeldeturm, eines der ersten

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