Wir müssen leider draußen bleiben
– und so verkaufte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ( BIMA ) das Grundstück an die Stofanel AG , die versprach, familiengerechten, ökologischen Wohnraum mit hohem Grünanteil zu bauen. Klingt fast wie ein Kompromiss: irgendwie grün, irgendwie öko, irgendwas für Familien mit Kindern. Nur die Öffentlichkeit hat nichts von der naturnahen Wohnanlage. Das Viertel wird sich weiter räumlich verdichten, der wilde Park, der auf der Brache wuchs und in dem die Kinder des Viertels spielen konnten, wird zur Spielwiese der Investoren. Dort wird ein durchdesignter »halböffentlicher« Garten wachsen, der für »naturnahes Wohnen« sorgt. Er ist nur von der Schwedter Straße aus begehbar und wird abends möglicherweise geschlossen werden. Der Initiative scheint es naheliegend, dass die neuen Mieter eher ihr Eigentum vor äußeren Einflüssen schützen wollen, als Kontakt zu den alten Anwohnern zu suchen: »Wer soll sich denn in diesem Garten aufhalten? Da traut sich doch gar niemand rein. Und ich kann mir gut vorstellen, dass bei einer der ersten Eigentümerversammlungen beschlossen wird, dass das Tor zu bleibt«, sagt Claudia Hering von der Initiative. Zum Sicherheitskonzept gehören auch Bewegungsmelder in den Gärten und Video-Gegensprechanlagen. Hering nennt den Marthashof »Gated Community light«.
An der Hauswand hinter dem lila Verkaufspavillon prangt ein riesiges Grafitto mit Fußballspielern, aus einem Fenster hängt ein Banner mit der Internetadresse der Anwohnerinitiative. Es ist diese alternative Aura, die sich auch Marthashof zu eigen macht. Giovanna Stefanel-Stoffel sagt, es habe sie immer gestört, »wie wenig mit Gefühl gebaut wird«. Doch gerade an der Schwedter Straße agiert Stofanel besonders unsensibel. Ausgerechnet auf den Vorabend des 1. Mai, an dem sich im Mauerpark auf der anderen Straßenseite die Autonomen für die Krawalle sammeln, legte Stofanel die Eröffnung des Pavillons. Als die Anwohnerinitiative den Investor darauf aufmerksam machte, wurde dem wohl ein wenig mulmig. Ein bisschen Punk fürs Image ist ja ganz schön – aber Aufstände gegen das Projekt, das kann man sich nicht leisten, schon gar nicht, wenn man mit guter Nachbarschaft wirbt. Claudia Hering erinnert sich, dass die Angehörigen der Initiative jeweils persönlich von den Bauleuten zur Eröffnungsfeier abgeholt wurden. Die Investoren gaben sich bürgernah. Trotzdem flogen Steine und Farbbeutel von Autonomen gegen den lila Showroom. Einen Tag nach der Eröffnung schützten gepanzerte Polizisten den lila Bungalow, die Baustelle ist noch immer bewacht. Zum Richtfest des Marthashofs hatten die Investoren die Elite geladen: Zu den Gästen gehörten Julius Eduard Prinz von Anhalt Herzog zu Sachsen und Corinna Prinzessin von Anhalt. Auch Stadtpolitiker waren gekommen, Klaus Wowereit schickte ein Grußwort. Zur Eröffnung der benachbarten Kastaniengärten war der Regierende Bürgermeister noch persönlich erschienen. Damals sagte er, dass man Menschen verstehen müsse, die sich bedroht fühlten durch neue Entwicklungen. »Auf der anderen Seite muss man auch immer wieder deutlich machen, es gibt keine Alternative zu einer Veränderung, es sei denn, dass man schlechte Zustände zementieren will. Das wollen wir nicht. Wir glauben an die Zukunftsfähigkeit dieser internationalen Metropole. Und deshalb muss sich etwas verändern. Und etwas Neues ist eine Bereicherung und keine Gefährdung des Alten.« 177 Und damit Schluss. In seinem Grußwort zum Marthashof-Richtfest erwähnte der Basta-Bürgermeister die Ängste der Anwohner mit keinem Wort: »Mit dem erreichten Stand nähert sich ein anspruchsvolles Projekt seiner Realisierung. Ich begrüße die familienfreundliche Gestaltung und das großzügige Freiraumkonzept ebenso wie die Verknüpfung stilvoller Architektur mit einer dem Klimaschutz verpflichteten Energieversorgung.« 178
Die Stadt als Unternehmen
»Gentrifizierung ist eine Maschinerie, die die Teilhabe an der Stadt über Geld regelt. An den Schalthebeln: Politik, Wirtschaft, Investoren. Die Vertreibung ist kein Zufall, sie ist gewollt«, schreibt der Autor Christoph Twickel in seinem Buch Gentrifidingsbums oder Eine Stadt für alle . 179 Die Stadt der 50er und 60er Jahre folgte einem wohlfahrtsstaatlichen Modell. Zwischen 1949 und 1973 wurden in Deutschland 12,5 Millio nen neue Wohnungen gebaut, die Hälfte davon waren Sozialwohnungen. Im Vordergrund stand der soziale Ausgleich, das Ziel: eine Stadt für alle. Mit
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