Wir müssen leider draußen bleiben
manchen Artikeln erscheinen lässt wie einen eiskalten Pro fitgeier. Auf die Linken, die keine Veränderung wünschen, sondern »Monokultur«, deshalb würden die Viertel ja so verkommen. Schöner wohnen im Krisengebiet: Erst locken die Investoren mit der Kulisse der rauen Stadt, in der sie eine Oase errichten wollen. Dann erschrecken sie darüber, dass diese Kulisse lebendig wird und Menschen, die sich in der großen Verkaufsshow nur noch als Statisten fühlen, dagegen rebellieren, dass ihre Lebenswelt mit blumigen Worten zu Markte getragen wird.
Wenn die Kulisse lebendig wird
»Die Ecke zwischen Mitte und Prenzlauer Berg ist etwas Besonderes. Hier ist pulsierendes Leben, es ist wie Paris Saint Germain, wie Manhattan vor 50 Jahren, wie Schwabing in München«, 174 schwärmt Bauherr Ludwig Stoffel, der die eine Hälfte der Stofanel AG bildet. Der Baunternehmer aus dem niederbayrischen Straubing hat sie Anfang 2008 mit seiner Frau Giovanna Stefanel gegründet, Designerin und Erbin des gleichnamigen italienischen Bekleidungskonzerns. Die beiden Millionäre hatten sich 2005 bei einem Seminar über emotionale Intelligenz kennengelernt und beschlossen, Namen, Talente und Vermögen zusammenzulegen, um daraus noch mehr Geld zu machen. Insgesamt 300 Millionen Euro investieren sie derzeit in Berlin. Sie bauen nicht nur den Marthashof, sondern auch das »Tilia Living Ressort«, ein Villenviertel für Superreiche am Griebnitzsee, und ein weiteres Luxusviertel in Zehlendorf, die Truman Show … Entschuldigung: Truman Plaza.
In den Medien erscheinen die beiden jedoch nicht als aus gebuffte Geschäftemacher, sondern als »Power-Paar« ( Bild- Zei tung ) mit Herz: Die Eheleute haben in Nepal ein Waisenhaus für dreißig Kinder gestiftet, die alle »Mama« und »Papa« zu ihnen sagen. 175 In Interviews mit ihnen geht es nicht um Quadratmeter, Euro und Stadtteilkonflikte, sondern um Liebe, Schönheit und »Werte«, die sie schaffen. »Wenn sich Yin und Yang perfekt ergänzen« 176 lautet die Überschrift eines Porträts über den »den Bayer« und »die Italienerin«, die »Wohnungen mit Seele« bauen wollen, wo die Menschen »Ruhe und Geborgenheit« finden sollen. Wenn man ein Lebensgefühl verkaufen will, muss man entsprechend gefühlsduselig daherkommen.
»Ich wäre gerne Künstler, habe diese Talente jedoch nicht. Aber ich habe das einmalige Glück, dass ich Dinge bauen lassen kann. Ich kann an ausgesuchten Plätzen, die ich für gut empfinde, wie ein Künstler etwas platzieren. Die Skulptur eines Bildhauers kann man wegtragen. Wenn ich eine Stadt oder einen Ort mitprägen kann, dann ist das ein unglaubliches Glück«, sagt Ludwig Stoffel über seine Gestaltungsmöglichkeiten in Berlin. Etwas weniger blumig ausgedrückt: Nirgends in Deutschland bekommt man so einfach und so günstig große Grundstücke in Innenstadtlage, mit deren Bebauung man derart viel Geld verdienen kann, wie in Berlin. Die Stofanel AG selbst residiert am Pariser Platz, direkt neben dem Brandenburger Tor, ihr gehört das ganze Gebäude. »Bayerischer Glanz für die Hauptstadt« überschrieb die Welt einen Artikel über das Bauunternehmen. Davon kann aber nun wirklich keine Rede sein. Denn Ludwig Stoffel hat seine Millionen bislang nicht mit schönen Häusern, sondern mit Einkaufszentren und Gewerbebauten gemacht.
»Wohnen ohne Kompromisse« ist das Motto des 65 Millionen Euro teuren Marthashof, der den Anwohnern ungefragt vor die Nase gesetzt wird. Was für die Kunden der Eigentumswohnungen im Marthashof als »kompromisslos« verkauft wird, ist für die umliegenden Bewohner schlicht rücksichtslos. Die bis zu sechs Stockwerke – geplant waren anfangs acht – des Ensembles, das mit einem Abstand von teilweise nur fünf Metern zu den umliegenden Altbauten in den Berliner Himmel wächst, versperrt ihnen den Ausblick und verschattet ihnen die Wohnungen. Doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb das Bauprojekt für heftige Diskussionen und Proteste sorgt. »Antisoziale Plastik« nennt die Anwohnerinitiative Marthashof den Wohnkomplex. Auf dem Baugrundstück befand sich bis zum Zweiten Weltkrieg eine Herberge und Bildungsstätte für junge Mädchen, die vom Land in die Stadt kamen, um dort als Dienstmädchen ihr Glück zu machen. Das Anwesen wurde im Krieg zerstört, nach der Wende gab es unterschiedliche Pläne für die Brache: Es wurde über eine Grundschule nachgedacht und über einen öffentlichen Park. Doch die Stadt hat kein Geld für solche Dinge
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