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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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Michael Otto hält einen Vortrag vor Studenten der Betriebswirtschaftslehre an der Universität München, er erhält dafür großen Applaus. »Die Mission der Otto Group heißt ›Die Kraft der Verantwortung‹. Sie steht für die Werte, zu denen sich die Gruppe mit allen Konzernunternehmen verpflichtet: Wirtschaftlichkeit, Innovation, Vielfalt und Nachhaltigkeit. Sie gelten für jeden Mitarbeiter, also für fast 50 000 Menschen in 20 Ländern«, heißt es auf der Konzernhomepage. 320 Otto gilt in der Wirtschaftswelt als Vorreiter des sozialen Unternehmers. Er ist, unter anderem, Vize-Präses der Handelskammer Hamburg, Vorsitzender des Kuratoriums der Gesellschaft für Politik und Wirtschaft, Vorsitzender des Stiftungsrats des WWF, stellvertretender Vorstandsvorsitzender im Kulturkreis des Bundesverbands der Deutschen Industrie. Er ist Ehrenmitglied des World Future Councils und grün dete 1993 die Michael-Otto-Stiftung für Umweltschutz. 321 Für sein Engagement wurde der Hamburger Milliardär bereits hoch dekoriert: Er erhielt den Deutschen Umweltpreis und den Sustainability Leadership Award. Er ist Ehrensenator der Universität Hamburg und Ehrensenator der Ernst-Moritz-Arndt-Universität. Otto war Manager des Jahres 2001 und erhielt 2005 den Vernon A. Walters-Preis des Elite-Bundes Atlantikbrücke. Die Theodor-Heuss-Stiftung verlieh ihm den Theodor-Heuss-Preis für eine »in ökonomischer wie ethischer Weise vorbildliche Firmenkultur«. Solche Preise, die von wirtschaftsnahen Organisationen vergeben werden, sind Teil der Propaganda, dass die Wirtschaft bei allem Profitstreben auch sehr um das Wohl von Mensch und Welt besorgt sei. Wenn man Dinge nur oft genug wiederholt, werden sie schließlich für wahr genommen. Für so wahr gleich, dass Otto selbst das Bundesverdienstkreuz erhielt, obwohl zum Zwecke seiner Reichtumsmehrung Menschen mit schwerer Grippe für drei Euro am Tag Pakete ausfahren. Wäre wirklich etwas dran an der sozialen Einstellung des Vorzeige-Unternehmers, würde er im Handumdrehen dafür sorgen, dass die Hermes-Boten anständig bezahlt würden. Es würde ihn wahrscheinlich nicht mal mehr als einen Anruf kosten. Am Rande des Vortrags von Michael Otto in München konfrontiert der ARD -Reporter Ralf Hötte den Unternehmer mit den Zuständen bei Hermes. Otto: »Ich kann nur sagen, die ganz, ganz große Mehrheit kann sehr gut davon leben. Dass das eine anspruchsvolle Aufgabe ist, eine anstrengende Aufgabe: kein Zweifel. Aber man kann da auch vernünftig verdienen. Und viele, die gerade von der Arbeitslosigkeit kommen, haben da eine Chance, eine Anstellung zu finden und Geld zu verdienen. Also von der Seite gibt es unwahrscheinlich viele, die sehr zufrieden damit sind.«
    Peter gehört schon mal nicht dazu. Auch nicht der ehemalige Stahlhochbauer Gerhard Hahn, der selbstständig Pakete ausfuhr, bis er zusammenbrach. Verdienst pro Paket: 70 Cent. Nach allen Abzügen blieb ihm nichts zum Leben. »Warum haben Sie das dann gemacht?«, fragt Wagener. »Na, ich war ja froh, dass ich überhaupt was hatte.« Am Anfang habe er gedacht, das sei eben so, wenn man sich selbstständig macht, das müsse wachsen. Doch da wuchs gar nichts außer Verzweiflung und Sorgen. Hahn hatte nicht einmal mehr das Geld für eine Kranken-, geschweige denn Rentenversicherung. Nachdem er drei Jahre ohne Unterbrechung gefahren war, bekam Hahn schließlich einen Schlaganfall. Ein großes Glück, dass ihn die Krankenkasse seiner Frau Stefanie als Familienversicherten aufnahm. Doch jetzt ist er arbeitsunfähig, und weil er unversichert Pakete ausgefahren hat, bekommt er heute keine Invalidenrente. Stefanie Hahn sagt: »Das hat uns eigentlich kaputtgemacht.« Sie fordert, und sie sagt das mit einer resignierten Wut, »dass die oben mal ein bisschen nachdenken, was sie den kleinen Leuten antun.«
    Doch von Nachdenken kann »da oben« keine Rede sein: »Dass einige enttäuscht sind, ist natürlich bedauerlich, das ist besonders für den Einzelnen wirklich schlimm, aber das sind wirklich Einzelfälle. Denn 99 Prozent unserer gesamten Zustel ler und Unternehmer sind zufrieden oder sehr zufrieden mit uns. Da geht es wirklich nur um Einzelfälle«, beteuert Michael Otto. Wie kommt wohl diese abenteuerliche Zahl zusammen, nach der Leute sehr zufrieden sind mit einem Verdienst von 60, 70 Cent oder maximal einem Euro pro zugestelltem Paket? Der ehemalige Hermes-Geschäftsführer Hartmut Ilek erklärt im ARD -Interview: von den 15 000

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