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Wir müssen leider draußen bleiben

Wir müssen leider draußen bleiben

Titel: Wir müssen leider draußen bleiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Hartmann
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Eindruck, er sei besonders nahe an den Armen dran. Gern wiederholt er die Geschichte von den Hungernden, die ihm in jungen Jahren vor den Füßen wegstarben, bis er den Anblick dieses Leids nicht mehr ertragen konnte. Tatsächlich aber stammt Yunus, Sohn eines Juweliers, aus der gehobenen Mittelschicht und studierte Wirtschaftswissenschaften in den USA . Sein Bild von der Armut ist, wenn man genauer hinsieht, ebenso westlich geprägt wie seine Idee der ökonomisch rentablen Entwicklungshilfe. Weil er mit dem Habitus der westlichen Elite vertraut ist, nimmt diese ihn ernst. Zu seinen Anhängern zählt nicht nur Politprominenz wie Hillary Clinton oder Nicolas Sarkozy, sondern auch superreiche Weltstars wie Angelina Jolie und Brad Pitt, Bono und Bob Geldof sowie Bestsellerautor Paulo Coelho. Muhammad Yunus ist Pop: Er taucht sogar als Figur bei den Simpsons auf und gab dort – »Ha, ha!« – Nel son Munz einen Mikrokredit zur Gründung eines Fahrrad geschäfts. 332
    Betriebswirte mit Gewissen
    Im Foyer des Unigebäudes in Potsdam sind Informationsstände aufgebaut, an denen verschiedene Sozialunternehmer ihre Projekte vorstellen. Ein Kleinunternehmen präsentiert einen ökologisch abbaubaren Kaffeebecher, ein Reiseveranstalter bietet Urlaubern freiwillige soziale Arbeit in Indonesien an. Eine NGO wirbt für Altkleidersammlung, ein Kleinunternehmen pflanzt Bäume in Afrika. Mehrere Organi sationen werben mit Fotos pittoresker Armut für »soziale Geld anlagen«. An einem Büchertisch kann man den Bildband The Power of Dignity. The Grameen Family für knapp 40 Euro kaufen, in dem Fotos von Roger Richter versammelt sind. Ein Coffeetablebook der Armut.
    Alternativ angehauchte Frauen mittleren Alters stehen an den Infoständen. Sie greifen weltgewandt wissensdurstig, von kei nerlei Selbstzweifel angekränkelt zu den Infobroschüren und stopfen sie in ihre Stoffbeutel. Viele junge Menschen tragen Namensschilder um den Hals, auf denen hinter »Ich interessiere mich für« Dinge stehen wie »innovative Lösungen«. An den Stehtischen sieht man Männer in Anzügen, sie gestikulieren geschäftig, während sie ihr dynamischstes Macherlächeln zeigen.
    Es sind wohl solche Leute, die den Mythos befeuern, die neue Generation von Geschäftsführern denke sozial. Anders als die alten Machtopas, die hinter schweren Eichenschreibtischen in quietschenden Ledersesseln Zigarre rauchten und mit diabolischem Lachen auf die Bilanzen schauten. »Die jungen Führungskräfte, die mit Fernsehen und Internet groß geworden sind, sind sich der sozialen Probleme eher bewusst als frühere Generationen. Sie machen sich Gedanken über den Klimawandel, die Kinderarbeit, Aids, die Frauenrechte und die Armut in der Welt. Mit dem Aufstieg dieser Generation in den Firmenhierarchien rücken auch die globalen Probleme ins Blickfeld der Unternehmensführungen«, schreibt Yunus in seinem Buch Die Armut besiegen . 333
    Das Fach Wirtschaftsethik ist mittlerweile regulärer Bestandteil der Managerausbildung. Viele Universitäten haben Lehrstühle für Unternehmensethik und bieten Seminare zu CSR an. 334 Ganz so, als hätten die neuen BWL er ihr soziales Gewissen entdeckt und wollten tatsächlich nicht mehr Gewinne, sondern gesellschaftlichen Nutzen maximieren. Allerdings ist keine andere Generation in einer derart durchökonomisierten Welt aufgewachsen wie diese. Die Manager von morgen mögen zwar mehr wissen über die Verhältnisse in der Welt und die Folgen verantwortungslosen Wirtschaftens. Gleichzeitig erscheint es ihnen logisch, dass man auch Armut nicht mit Politik, sondern nur mit wirtschaftlicher Effizienz und Pragmatismus bekämpfen kann. In der Welt des Social Entrepre neurship heißen sie deshalb »Changemaker«, »Problemlöser«, »Innovatoren«, »Visionäre«, »Impulsgeber«, »Rulebreaker« und »Erfahrungsteiler«, die mindestens eine »Mission« haben oder »ein Wagnis« eingehen wollen.
    Bei der Eröffnung des Vision Summit im voll besetzten großen Hörsaal dann wird klar, dass eine wesentliche Figur in diesem Jahr fehlt: Erstmals ist Muhammad Yunus nicht Stargast der Veranstaltung. Der Friedensnobelpreisträger führt zu dieser Zeit Auseinandersetzungen mit der bangladeschischen Regierung, die ihn »aus Altersgründen« von seinen Aufgaben entbunden hat. Die Ministerpräsidentin des Landes, Hasina Wajed, wirft ihm außerdem vor, »ein Blutsauger der Armen« zu sein. 335
    Die Idee der Mikrokredite ist Ende 2010 erstmals schwer in Misskredit

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