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Wir nennen es Politik

Wir nennen es Politik

Titel: Wir nennen es Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Weisband
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verpflichtet haben. Hier ist also gemeinsames Interesse gegeben. Außerdem haben wir zumeist verschiedene Ziele – und Ansichten, wie wir diese Ziele erreichen. Aber als Staat stehen wir oft vor Problemen, die alle betreffen und die gelöst werden müssen. Und bei der Lösung gemeinsamer Probleme – besonders wenn die Handelnden unterschiedliche Auffassungen von der »richtigen Lösung« haben – hat Nachvollziehbarkeit gleich drei Funktionen:
Fehler entdecken, die entstehen könnten.
Verhindern von Korruption und verdeckter Einflussnahme.
Beteiligung an politischen Prozessen ermöglichen.
    Erstens wollen wir nicht, dass eine gute Idee durch Fehler ruiniert wird. Zweitens wollen wir nicht, dass eine schlechtere 3 Idee Vorzug bekommt, weil hinter ihr heimliche Machtstrukturen stehen, und drittens wollen wir, dass jemand, der eine bessere Idee hat, auch gehört wird.
    Es müssen sich also nicht immer alle einig sein. Solange das geteilte Ziel von Politik darin liegt, bestimmte Probleme zu lösen, befördert Transparenz diesen Prozess.
    Der Teil mit der Vermeidung von Korruption oder versteckter Machtstrukturen dient außerdem dem Vertrauen der Menschen in ihre Repräsentanten. Einblick in die Nebentätigkeiten von Mandatsträgern und ihre Treffen mit Interessengruppen wird mehr für das Ansehen der Politik tun als alle Kleidungsvorschriften dieser Republik. Wenn Lobbyverbände komplette Gesetzesentwürfe vorlegen, was für Politiker natürlich bequem ist, dann haben wir als Bürger ein Recht darauf, zu wissen, aus welcher Feder dieser Entwurf stammt. Ich wünsche mir klare Regelungen nicht, weil ich Politiker gängeln will oder sie für schlechte Menschen halte, im Gegenteil. Eindeutige Erwartungen und Grenzen können ihnen die Arbeit erleichtern. Wir können Menschen in Machtpositionen Orientierung und Entlastung geben. Politiker navigieren sich oft durch einen Alltag voller Ansprüche und Erwartungen. Sie müssen Entscheidungen in Gebieten treffen, die sie nicht hundertprozentig durchblicken. Vollständige Kompetenz in allen Gebieten ist unmöglich. Hier stehen ihnen freundliche Experten zur Verfügung, die aber selbst wirtschaftliche Interessen an bestimmten Entscheidungen haben können. Eine vernünftige Nachvollziehbarkeit erleichtert die Orientierung. Klare Regeln helfen auch den politisch Handelnden, für sich gut und richtig zu arbeiten.
    Kehren wir einen Moment zu unserem fiktionalen Dorf und unserem Bauern Otto zurück. Eine Regel, die es Otto verbietet, seine Familie beim Bau der Brücke zu beschäftigen,ist im Rahmen des Dorfes sicherlich schwierig, Otto ist der Bruder des größten Steinmetzen der Gegend. Unser Dorf wird die Regeln anpassen müssen. Eine offene Ausschreibung der öffentlichen Aufträge würde viele Probleme beseitigen, die den Unmut der Bewohner in unserem kleinen Beispiel erregt haben. Öffentliche Ausschreibungspflicht ist bereits Teil unseres ganz realen Regelwerks. Die Verträge hingegen werden oft nicht veröffentlicht und sind teilweise nicht einmal allen Parlamentariern zugänglich. Es ist Menschen aber nicht zu vermitteln, dass der Staat, dessen Teil sie ja sind und für dessen Handeln sie finanziell aufkommen müssen, geheime Verträge schließt. Wie sollen wir die Verantwortlichen einschätzen, wenn wir nicht wissen, was sie tun? Natürlich gibt es immer wieder gute Gründe für die Vertraulichkeit von Informationen, wenn ihre Veröffentlichung Schaden anrichten würde oder private Daten geschützt werden müssen. Bei den meisten Verträgen zwischen Wirtschaft und öffentlicher Hand ist das aber nicht der Fall. Öffentliche Verträge sind eine Maßnahme, die das Vertrauen in das politische System wieder erhöhen kann.
    Gleiches gilt für die Veröffentlichung von Haushalten, Statistiken, Plänen und fertigen Gesetzesentwürfen. Das sind alles objektive Zahlen und Fakten, die in einem transparenten Staat standardmäßig durchsuchbar und einsehbar wären. Denn es sind Daten, die jeden angehen. Gesetzesentwürfe müssen vor Beschluss schon einsehbar sein, um politische Prozesse zu bewerten und um zu verhindern, dass gravierende, unbemerkte Fehler entstehen. Außerdem wurde der Vorschlag gemacht, Fraktions- und Ausschusssitzungenaufzuzeichnen oder zu streamen, womit die Piratenpartei experimentiert.
    Bei all dem gibt es ein Problem. Nehmen wir an, ich bin ein ganz einfacher Mensch, der abends müde von der Arbeit kommt. Ich möchte mich ja gern politisch informieren. Aber dafür

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