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Wir nennen es Politik

Wir nennen es Politik

Titel: Wir nennen es Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Weisband
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wenn die Piraten einige Forderungen nach Subventionierung bestimmter Vereine zurücknehmen. Das ist ein klassischer Kompromiss. Die Mitglieder der Fraktion müssen sich vorher einigen, wie groß die Streichungen maximal sein dürfen, damit sie dem Kompromiss noch zustimmen. Das könnten sie natürlich öffentlich machen. Zum Beispiel einigen sie sich: »Okay, wir verhandeln mit den Grünen. Wir verzichten auf maximal 5000 Euro Fördermittel, sonst lehnen wir ab.« Wenn das direkt gestreamt wird, wären die Grünen schön blöd, weniger als 5000 Euro Streichung zu verlangen. Wird die Besprechung aber bis zum Ende der Verhandlung geheim gehalten, dann kann möglicherweise mehr Förderung der besagten Vereine rausgeschlagen werden und damit handelt man natürlich mehr im Interesse der eigenen Wähler. Später, nach Abschluss der Verhandlung, kann man dann die Protokolle oder Aufzeichnungen der Einigung veröffentlichen und damit Nachvollziehbarkeit herstellen.
    Die Maximalforderung an Transparenz ist also Partizipation, die Minimalforderung ist Nachvollziehbarkeit. Grenzen findet Nachvollziehbarkeit zum Beispiel dort, wo Datenschutz ihr entgegensteht. Das gilt zum Beispiel für die Veröffentlichung von Namen oder anderen Datennicht gewählter Personen. Es gilt aber auch für die Veröffentlichung von privaten, nicht die Politik beeinflussenden Daten gewählter Personen. Nebeneinkünfte von Politikern sind insofern nicht privat, als dass sie Abhängigkeit von Interessenvertretern aufdecken können. Ich möchte einfach wissen, wenn der Umweltminister hohe Rednerhonorare von bestimmten Stromkonzernen bekommt.
    An ihre Grenzen stößt Transparenz auch dort, wo ein sogenanntes legitimes Staatsinteresse vorliegt, wo also Veröffentlichung bestimmter Daten den Bürgern eines Staates schaden würde. Ein sehr einfaches Beispiel dafür sind die Verteidigungspläne im Falle eines Krieges. Wenn solche Pläne öffentlich sind, sind sie nutzlos.
    Obwohl die Nachvollziehbarkeit der Politik nicht uneingeschränkt sein kann, gilt es, hier ein radikales Umdenken zu vollziehen. Zurzeit werden bestimmte Daten veröffentlicht, oder man muss sie als Bürger gegen eine Bearbeitungsgebühr erfragen. Noch ist die Frage: »Was müssen wir veröffentlichen?« Ich möchte, dass die Frage andersrum gestellt wird, nämlich: »Was müssen wir unbedingt geheim halten?« Damit liegt die Beweisschuld bei jenen, die argumentieren, dass es sich um sensible Daten handelt. Die können so weiterhin geschützt werden, während alles andere offenliegt.
    Mitbestimmung wird ja immer skeptisch gesehen, wenn man sich ansieht, was Bürger so verlangen. Sie schimpfen gleichzeitig darüber, dass es zu wenig Kindergartenplätze gibt, und darüber, dass die Steuern zu hoch sind. Man unterstellt, dass Menschen es nicht hinbekommen, Kausalitäthinter politischem Handeln zu verstehen. In Wirklichkeit glaube ich, dass dies einem Mangel an praktischer Transparenz geschuldet ist. Ich will als Beispiel mal im Bereich der Haushalte bleiben. Bund, Länder und Gemeinden in Deutschland sind alle stark verschuldet. Das muss erst einmal nicht schlecht sein. Wenn es der Wirtschaft gerade schlechtgeht, könnte es falsch sein, wenn die öffentlichen Haushalte ihre Ausgaben stark senken würden, denn das könnte eine Krise noch verschlimmern. Auch können sich Investitionen lohnen, für die auch ein Unternehmen ja einen Kredit aufnehmen würde, weil der Nutzen für die Menschen die Kosten überwiegt, aber gerade nicht genug Geld vorhanden ist. Momentan erlauben wir es allerdings, dass Ausgaben, die jetzt eine Regierung gut dastehen lassen, erst in der Zukunft von allen durch hohe Steuern bezahlt werden müssen. Das ist für die Verantwortlichen eine große Versuchung. Wenn Regierungen viel Geld ausgeben wollen, kann das gut sein. Ich würde mir wünschen, dass mehr Geld in Bildung und neue Energieformen investiert wird oder dass Pflegekräfte besser bezahlt werden. Aber es erscheint mir ehrlicher und sinnvoller, wenn wir zu den Ausgaben, die wir als Staat tätigen, auch deutlich machen, was wir dafür für Einnahmen, also Steuern brauchen. Dann können wir auch besser beurteilen, was uns diese Investitionen wert sind und auf was wir lieber verzichten wollen. Wenn ein Land für seine Ausgaben auch gleichzeitig die Steuern auftreiben muss, ist die Bewertung direkter und klarer, als wenn wir über Kreditzahlungen und Zinsen dafür bezahlen müssen. Politiker, die uns bestimmte Leistungen

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