Wir nennen es Politik
habe, das heutzutage normalerweise durch Kopierschutz umgangen wird. Also das, was ich selbst auch immer gefordert hatte. Doch das wird nicht nachgefragt. Es wird unterstellt.
Ich habe keine Lust, diese leere Seite mit Gedanken über Vertrauen zu füllen. Ich habe Lust, etwas ganz anderes zu schreiben.
»Der offene Politiker ist deshalb so wichtig, weil … Nein, wisst ihr was? Der offene Politiker hat keine Chance, er wird fertiggemacht. Wenn es ihm nicht scheißegal ist, was ihr von ihm haltet, wird er fertiggemacht. Von euch. Also schaffen es nur Leute an die Spitze, denen ihr egal seid. Und darüber wundert ihr euch dann. Eine bessere Demokratie ist nicht möglich. Wegen euch. Ihr habt nichts Besseres verdient. Sorry. Viel Glück beim nächsten Mal.«
Ich hämmere das in die Tasten und trinke einen Baileys. Ich schaue auf die Uhr. 14:30. Die Katze springt mir aufden Schoß und ich überlege, dass ich viel lieber zuhause bleibe und mich um Katzen und Familie und Freunde kümmere, als da draußen, im Epizentrum der Ellbogengesellschaft, gegen Windmühlen zu kämpfen und dafür auch noch auf Schritt und Tritt angemault zu werden.
Es gibt sie immer wieder, diese Momente der Schwäche. Und dann bekomme ich einen Tweet, dass die Piratenfraktion NRW eine grafische Übersicht des Haushaltsplans erstellt hat, wo alle Einnahmen und Ausgaben auf einen Blick ersichtlich sind. Und ich freue mich und denke mir: »Ja! Genau das! Das brauchen wir! Dafür habe ich mir die letzten Jahre gegeben!« Die Momente der Schwäche gehen wieder vorbei. Aber irgendwo im Hinterkopf bleibt eine leise Stimme zurück: »Für wen mache ich das eigentlich? Wollt ihr das überhaupt? Oder bilde ich mir nur ein, dass ihr irgendwas verändern wollt?«
Bei allen Prozessoptimierungsideen und kreativen Gestaltungsansätzen des Systems Demokratie vergessen wir manchmal, dass Politik eben doch ein Kampf unterschiedlicher Interessen ist. Das ist eines der Klischees, an die ich zunächst nicht geglaubt hatte, von denen ich mich aber überzeugen konnte. Innerhalb der gewählten Gremien wird gekämpft. Koalition gegen Opposition zum Beispiel – Auseinandersetzungen, die manchmal mit völlig absurden Mitteln geführt werden. In der Öffentlichkeit ist es ein Kampf. Wer auch immer seine Nase in »die Öffentlichkeit« steckt, begibt sich auf eine Seite, in einen Sturm aus Feindseligkeiten. Es ist ein Kampf zwischen den Parteien, es ist ein Kampf innerhalb der Parteien, es ist eine unübersichtlicheAnzahl an Auseinandersetzungen, die zwischen einzelnen Personen geführt werden. Und während der Streit zwischen Ideen und Wertvorstellungen beabsichtigt und gut ist, liegt das Problem darin, dass der Streit hier oft allzu persönlich, destruktiv, ja kindisch ist. Ich spreche hier von Menschen, die teilweise genau die gleichen Ansichten vertreten, aber trotzdem nicht zusammenarbeiten wollen. Die Judäische Volksfront gegen die Volksfront von Judäa. Die Mittel des Kampfes reichen dabei von der bloßen Verweigerung der Zusammenarbeit oder Anerkennung bis hin zu Mobbing und Erpressung. Es ist ein strategischer Kampf mit den klaren Regeln des Rechtsstaats. Und doch fordert er Opfer und strotzt nur so vor Irrationalität. Dieser Kampf wird nicht über Wahlen oder Abstimmungen geführt. Er findet im politischen Hintergrund statt. In den Telefonaten, die Journalisten, Lobbyisten und Politiker miteinander führen. Beim Frühstück im Café. Abends beim Bier. Über Gerüchte, über Meldungen, über Rücktrittsforderungen und Auszählungen der »Truppenstärke« im Parlament.
Nehmen wir noch hinzu, wie feindselig die Öffentlichkeit mit ihren Entscheidungsträgern umgeht, und wir erhalten ein Klima, in dem das reine Überleben für normale Menschen schwierig wird.
Und hier kommen die Leute und sagen: »Naja, so ist Politik halt. Da muss man durch. Da muss man sich halt ein dickes Fell zulegen. Du brauchst halt das Scheißegal-Gen. Einfach ignorieren.«
»Wenn es dir in der Küche zu heiß ist, sollst du nicht Koch werden«, sagt man. Wenn sich jemand von ein paarHassbriefen und Intrigen aus der Bahn werfen lässt, hat er eben nichts in der Politik verloren. Das Essen schmeckt nicht? Kein Wunder. In unserer Küche haben wir jede Menge Leute, die sehr hitzebeständig sind. Wir haben sie danach ausgewählt. Und nicht etwa danach, ob sie kochen können.
Wie viele inhaltlich hochfähige potenzielle Politiker haben wir wohl, die sich bewusst gegen die Politik entscheiden
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