Wir neuen Großvaeter
auf dem Programm. Die Kamera war überall dabei. Für Sarah Wiener war es wichtig, dass die Kinder ein Bewusstsein für Ernährung entwickelten, den Respekt vor dem Essen lernten und vor der Arbeit, die damit verbunden ist.
Mit Protesten reagierten Fernsehzuschauer jedoch, als die Kinder Augenzeugen wurden, wenn Kaninchen geschlachtet, ausgenommen und gekocht wurden.
»Wer Fleisch mag«, so die Köchin Sarah Wiener, »soll auch wissen, dass Tiere dafür getötet werden müssen.«
Dass der Ãbergang vom Leben zum Tod etwas mit den alltäglichen Mahlzeiten zu tun hat, wurde für die Mädchen und Jungen zu einer philosophischen Erfahrung. Sarah Wiener, die selbst wenig Fleisch isst, findet: »Durch das, was ich esse, wie ich anbaue, wie ich Tiere halte und wie ich einkaufe, beeinflusse ich die Welt.«
Früh übt sich das Bewusstsein
Sprachliche Meisterleistungen unserer Enkel sollten wir notieren
Von den Ãko-Plebejern
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Als der englische Schriftsteller Ian McEwan gefragt wurde, was für ihn ein Wunder sei, antwortete er: »Die aufblühende Sprache eines Zweijährigen!« Der Satz hat mich berührt, war ich doch jüngst Ohrenzeuge, wie mein Enkel Ferdinand aus dem Füllhorn der vorhandenen Wörter sich diejenigen heraussuchte, mit denen er die Welt erklären möchte. Und ich erinnere mich an ein Telefonat mit meinem damals knapp drei Jahre alten Enkel Max. Während wir miteinander sprachen, zog er sich gerade die Schuhe an. Diesen für ihn mühevollen Vorgang kommentierte er mit der Aussage: »Ich muss mich jetzt konzentrieren!« Eine sprachliche Meisterleistung.
Auch diese Episode habe ich in meinen »Jahresweiser« aufgenommen. Dabei handelt es sich um eine Kladde, in der alle Tage vom Jahr 2006 bis zum Jahr 2015 als eigene Rubrik vorhanden sind. Dort werden sowohl Aufzeichnungen über das Leben von Leo wie auch Berichte über seine Vettern Ferdinand und Max festgehalten: Auf diese Weise entsteht eine Chronik ihrer Kinderzeit, die Beschreibung ihrer Lebensweise mit all den einzelnen Stationen. Wir lernen, bewusst zu leben, wenn wir Ereignissen ihren Raum geben.
Wer Tagebücher über das Aufwachsen von Kindern führt, der häuft einen kostbaren Schatz an. Aufzeichnungen über Kinder sind eine wertvolle Begleitung ihrer Entwicklung. Wohl dem Kind, das einen Chronisten hat, der mitschreibt.
Die Lernfähigkeit von Kleinkindern ist schier unglaublich. Durch die Protokolle über ihre frühen Jahre können sie später das Werden ihrer Persönlichkeit nachvollziehen. Pädagogen sind sich klar drüber, dass das Wesen des Menschen bis zu seinem vierten Lebensjahr vollendet ist. Bis zu diesem Alter hat er alles Elementare erfahren: Lachen und Leiden, Liebe und Liebesentzug, Lob und Neid. Und oft auch Gewalt und Niedertracht. Zwar erinnern wir uns später kaum an die ersten Eindrücke, doch in der Persönlichkeitsstruktur eines Menschen bleiben diese Erfahrungen unauslöschbar.
Mein Freund Dieter erhielt zu seinem 18. Geburtstag eine »Kinderchronik«. Der GroÃvater hatte darin die »harten Fakten« zu »Gewicht und GröÃe« notiert, die GroÃmutter hatte aufgeschrieben, was den Kleinen so bewegt: der Geschmack der ersten Erdbeeren, die Tiger im Zoo, das Heimweh bei der Klassenfahrt. Auch Fotos waren eingeklebt. Für Dieter wurde die Chronik zum wichtigsten Buch seines Lebens.
Als ich zwölf Jahre alt war, schenkte mir mein Vater einen Taschenkalender. Sofort begann ich, meine Termine einzutragen: 14 Uhr in der Lichtbühne Prinz Eisenherz , 20 Uhr im Radio Wer gegen wen?, eine Quizsendung, bei der ich mir immer ein paar Groschen verdienen konnte. Wusste ich eine Antwort auf die gestellten Fragen schneller als meine Eltern, bekam ich jeweils zehn Pfennige.
Wenn im Kalender steht: »Heute hat Mutti Schweinebraten mit Semmelknödeln gemacht«, dann läuft mir noch heute
das Wasser im Mund zusammen. Unser Unbewusstes vergisst nichts. Wie in einem Computer legt es jede Information in einer Datei ab. Ein altes Notizbuch hilft uns, die Vergangenheit wieder ans Licht zu holen. Wir werfen gewissermaÃen die Angel nach unseren Erinnerungen aus.
Seit Leo, Max und Ferdinand geboren sind, finden sich in meinen Tagebüchern auch Aufzeichnungen über sie. Ich notiere mir beispielsweise Aussagen wie die des damals kaum dreijährigen Leo, der einmal â einfach
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