Wir neuen Großvaeter
Wenn man so will, habe ich den GroÃvater in diesem Buch erfunden, ohne dass mir bisher klar wurde, dass es möglicherweise der GroÃvater ist, den ich im richtigen Leben vermisst habe.
Gert Scobel, TV-Moderator und Philosoph
Käfer und Bäume wollen gelobt werden
Entdeckungsreisen zum Volk in den Gräsern
Mit dem GroÃvater zu Tümpeln und Teichen
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Zu den Höhepunkten des GroÃvater-Daseins gehören die Ausflüge mit den Enkeln. Dafür müssen wir nicht in einen spanischen Ferienklub reisen oder auf die Insel Rügen. Gemeinsam erkunde ich mit Leo, Max und Ferdinand den nahen Stadtwald, die Tümpel und Teiche, die Quelle des Königsbrünnchens und die angrenzenden Wiesen und Felder. Vom Goetheturm aus haben wir einen prächtigen Blick auf die Hochhäuser der Stadt. Ferdinand sitzt meist im Bollerwagen, die »GroÃen« nehmen gerne Rad und Roller mit.
Der Wald empfängt uns stets wie vertraute Freunde, die regelmäÃig wiederkehren und aufmerksam sind für die Veränderungen, die seit dem letzten Besuch geschehen sind.
Manchmal hören wir noch die Triebwerke der landenden Flugzeuge auf dem nahen Flughafen, doch je tiefer wir in den Wald vordringen, umso ruhiger wird es. Der Wald spricht eine Sprache, die ohne Worte ist: Er präsentiert uns prächtige Bilder im Wechsel der Jahreszeiten.
Dichter haben Lieblingsbäume, die sie bedauern und betrauern, wenn ihnen ein Beil zu nahe kommt. Der Magier Merlin spricht von einem Zauberwald voller scheuer, wuchtiger Baum-Wesen. Er kennt Bäume im Winter, die ihre entblätterten Arme zum Himmel recken und den Frühling erflehen. Manchmal treffe ich mit den Jungs einen Förster, der stolz ist auf die alten Eschen, Buchen und Eichen in seinem Revier. Manche von ihnen sind hundertfünfzig Jahre alt.
Bei unseren Waldwanderungen achten wir stets auch auf seine vielfältigen Geräusche, Gerüche und Farben.
So wie der Anblick des Meeres sich mit dem ständig wechselnden Licht verändert, so ist auch eine Waldlandschaft immer wieder anders. Nirgendwo sonst erleben Leo, Max und Ferdinand den Wechsel der Jahreszeiten so intensiv. Und dann ist da noch DER BAUM, eine mächtige Buche an der Biegung eines kleinen Weges, zu der wir uns auf eine besondere Weise hingezogen fühlen. Wir berühren ihre Rinde, lehnen uns an den Stamm und spüren dabei ihre Kraft und Energie.
Der Baum muss uralt sein. Leo schätzt ihn auf mehr als tausend Jahre, Max meint, er hätte schon in der Steinzeit dort gestanden. Ferdinand guckt nur und staunt. Mit den Wurzeln tief in der Erde und seiner Krone in den Himmel gestreckt, ist Der Baum für uns ein Symbol der Beständigkeit. Wir erfahren die Welt, während er stille steht. Gelassen verfolgt er den Lauf der Sonne von ihrem Aufgang bis zu ihrem Untergang, sieht den Mond sich runden und wieder vergehen, spürt Wind, Regen und Kälte. Vor ihm verbirgt sich kein Reh, kein Fuchs. Auch der scheueste Vogel ruht still in seinem Geäst.
Unter dem Baum sitzend, grübele ich mit meinen klugen Enkeln über die Vergänglichkeit nach. SchlieÃlich bietet unser
Baum ein vollkommenes Sinnbild vom Kreislauf der Natur, vom Werden, Wachsen und Vergehen. Im Herbst wirft er seine Blätter ab, steht kahl und verloren in der Gegend. Man glaubt fast, er wäre nicht mehr am Leben. Doch im Frühling schieÃt wieder Saft in Stamm, Ãste und Wurzeln. Leo â ein Freund von König Artus und seiner Tafelrunde â erinnert daran, dass für den Zauberer Merlin alle Pflanzen, Tiere und Mineralien zu einer Welt gehörten, die genauso belebt war wie die unsere. Auch Dichter und Denker aller Zeiten haben erkannt, dass es neben der alltäglichen, erfassbaren Welt eine weitere, umfassendere, erfahrbare Welt gibt.
Oft hören meine Enkel von Erwachsenen: Was ist schon ein Baum? Ein Stamm, Blätter, Wurzeln, Käfer in der Rinde und oben eine Krone! Wenn wir den Baum mit den Augen eines Malers sehen, dann ist er ein Objekt voller Schönheit und Anmut. Für einen Biologen ist ein Baum ein biochemisches Wunderwerk, perfekt konstruiert. Er gibt den für fast alle Lebewesen notwendigen Sauerstoff an die Atmosphäre ab. Mensch und Tier nehmen ihn durch die Atmung auf.
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Wir hatten in der Schule einen Lehrer, der sagte uns, dass in verhältnismäÃig kurzer Zeit das mittlere Europa wieder ein einziger groÃer Wald werden
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