Wir neuen Großvaeter
würde, gäbe es uns Menschen nicht mehr. Wir malten uns fantastische Bilder von unendlichen Waldwelten aus, mit seltsamen Pflanzen und Tieren. Doch Lehrer sterben, Knaben werden erwachsen, und die Wälder bleiben. Hoffentlich.
»Kinder lieben und brauchen die Natur«, schreibt der Philosoph und Biologe Andreas Weber in seinem Buch Mehr Matsch! »Doch heute strolchen sie kaum mehr im Freien herum. Eine Katastrophe für die Gesellschaft.« Statt Baumhäuser zu bauen, Frösche zu fangen oder mit den Händen im
Matsch zu wühlen, säÃen Kinder zu Hause vor dem Bildschirm. Ohne Nähe zu Pflanzen und Tieren aber verkümmere ihre emotionale Bindungsfähigkeit. Mitfühlen, Fantasie, Kreativität und Freude am Dasein verschwänden so aus ihrem Leben. Weber ermuntert Eltern und GroÃeltern, auch bei schlechtem Wetter mit den Kindern ins Freie zu gehen, in den Wald, auf Wiesen oder zu Teichen. Denn nur im Kontakt mit der Natur würden sich seelische, körperliche und geistige Fähigkeiten entfalten, die Kinder zu erfüllten Menschen werden lassen.
Es ist Aufgabe der GroÃen, die Aufmerksamkeit ihrer Begleiter auch auf den Waldboden zu lenken mit seinen kleinen, seinen schüchternen, seinen mitunter unvermuteten Angeboten.
Winzige Käfer und zarte Blüten wollen beachtet und gelobt, doch zuerst entdeckt werden. Ein schön gezeichnetes Farnblatt möchte als Ornament wahrgenommen werden, niederes Moos reckt allerfeinste Fangfäden in den Himmel. Das gedämpfte, ruhige Lebensgefühl des Waldbodens vermittelt sich auch den Enkeln. Sie werden still und staunen.
Im Sommer machen wir bisweilen Rast auf einer Wiese, durch die sich ein kleiner Bach seinen Weg bahnt. Auf dem Bauch liegend, genieÃen wir dabei ein einzigartiges Schauspiel. An diesem Platz voller Holunder, Robinien, Spornblumen, Löwenzahn und Salbeipflanzen dringen wir zu den staunenswerten Schönheiten einer bizarren Welt vor, die dem hochmütigen Auge des Menschen normalerweise verschlossen ist â dem »Volk in den Gräsern«. Dabei öffnet sich für Max, Leo und Ferdinand die Pforte in ein Paralleluniversum, das uns ganz nah ist und doch so fern.
Ein Käfer auf der Wiese ist hinter seinem Panzer verschanzt, doch ist er deshalb eine lebende Festung, ein Monster an Empfindungslosigkeit, das von unserer Welt nichts wei� Was nimmt er wahr mit seinen starren Augen und den langen Fühlern? Um dies zu ergründen, versuchen meine Enkel und ich, ein wenig zum Insekt zu werden. Dabei ist es unerlässlich, unsere würdige, aufrechte Haltung aufzugeben und auf allen vieren durchs Gras zu krabbeln.
Die Liliputwelt der Marienkäfer, Ameisen, Libellen und Schmetterlinge lädt Kinder und Poeten, Maler und Flaneure nicht nur zum Träumen ein. Die Szene ist geradezu ideal für Naturforscher.
Spinnen, Käfer und Regenwürmer sind keine Schmusetiere, doch meine Enkel akzeptieren sie wie selbstverständlich als ihre Mitgeschöpfe. Nur Ferdinand lässt es nicht zu, wenn eine Raupe über seine Hand klettern möchte. Dabei ist er von der »Raupe Nimmersatt« aus dem Bilderbuch so begeistert. Auch hier ist Information alles. Je mehr wir über das Volk im Gras erfahren, desto mehr Respekt haben wir vor ihm. Woher wissen zum Beispiel Spinnen, wie sie ihr Netz zu fertigen haben? Und wer sagt den Ameisen, wie sie ihren Staat organisieren und intelligente Fluchtwege installieren?
Die Augen der Insekten, die uns aus ihrer Welt betrachten, sind ein winziger Spiegel, in dem wir bisweilen unsere eigene Existenz erkennen.
Einladung ins Luxushotel
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Ich bin gerne GroÃvater, weil ich von meinen Enkelkindern bewundert werde. Obschon ich inzwischen 75 Jahre alt bin, nennen mich meine Enkel nie »GroÃvater«, sondern stur »Erich«. Das schmeichelt. Selbstverständlich verwöhne ich sie. Dana ist inzwischen fünfzehn, Robert siebzehn Jahre alt. Vor zwei Jahren klagten beide, ich hätte nie Zeit für sie. Ich gelobte, einen ganzen Tag mit der darauffolgenden Nacht nur ihnen zu gehören. Sie sollten aussuchen, wohin wir gehen. So fuhren wir mit der Dampfbahn aufs Brienzer Rothorn im Berner Oberland. Abends landeten wir im Luxushotel Gstaad-Palace in Gstaad. Dana und Robert genossen den phänomenalen Swimmingpool. Mit mir. Und â of course! â das gediegene Restaurant. An jenem Abend versprachen wir, uns gegenseitig nie
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