Wir neuen Großvaeter
Enkel Ferdinand, Leo und Max sollen erst ein wenig älter werden, ehe ich sie zu Matrosen auf dem Kabinenboot ausbilden kann. Obwohl es passende Schwimmwesten an Bord gibt, sollten Kinder schon ein gewisses Alter haben, um sich in einer Schiffsmannschaft zu behaupten. Auf dem Papier üben wir aber bereits fleiÃig die Funktion der Schleusen und das Anlegen im Hafen. Und ich habe ihnen bereits versprochen, dass sie den Sternenhimmel so hell und glitzernd werden sehen können wie noch nie in ihrem Leben.
Die Sonne geht im Westen der bretonischen Halbinsel später unter als bei uns, doch wenn dann die Nacht endgültig gekommen war, erlebte die gesamte Crew immer wieder das gigantische Schauspiel des bestirnten Himmels. Es gab keine elektrischen Lichter, die uns bei der Beobachtung des Firmaments stören konnten. Dörfer und Städte waren weit weg. Da lagen wir dann auf dem Bootsdeck, direkt unter dem schimmernden Band der MilchstraÃe mit ihren hunderttausend Millionen Sternen.
Niemand bleibt von einem solch prächtigen Anblick unberührt, mit dem sich die Vorstellung von Unendlichkeit und Erhabenheit verknüpft. Menschen, die immer in der Stadt leben, bemerken den Sternenhimmel vielleicht überhaupt nie. Die StraÃenlampen leuchten ohnehin viel heller, und auÃerdem schauen die Leute abends lieber auf den Bildschirm und denken sich, die Sterne kommen ohnehin jede Nacht wieder, ob man sich nun um sie kümmert oder nicht. Ein bretonischer Bauer erzählte uns, die vielen goldenen Punkte am nachtblauen Firmament seien die Augen der Seligen, die auf uns herniederblinzeln, und ihr Glanz lasse uns ahnen, wie herrlich es da oben sein mag.
Der Sternenhimmel entfaltet im August seine ganze Pracht. Im Süden steht das Sommerdreieck der Wega, es schimmert der Schwan, der GroÃe und Kleine Wagen und Atair, ein heller Stern, der in Wahrheit eine ferne, gigantische Sonne ist.
Kurz vor Mitternacht â wenn das letzte Tageslicht verschwunden ist â waren wir bereit für das kosmische Spektakel. Es dauerte etwa eine Viertelstunde, bis sich die Augen an das millionenfache Glitzern gewöhnt hatten. Das bekannteste Sternbild
in unseren Breiten ist der »GroÃe Wagen«, den die Indianer »GroÃer Löffel« nennen, weil er tatsächlich wie eine Schöpfkelle aussieht. Ohne Probleme konnten wir die sieben hellsten Sterne ausmachen, die die Umrisse des Sternbilds markieren: Drei von ihnen symbolisieren die Deichsel, vier bilden den Kasten. Ungefähr am Knick der Deichsel befindet sich der Stern »Mizar«, der einen unauffälligen Begleiter hat: das kleine Reiterlein.
Bei den Sioux-Indianern durften übrigens nur jene Krieger mit zur Jagd aufbrechen, die den genauen Standort des Reiterleins beschreiben und damit beweisen konnten, dass sie über den berühmten Adlerblick verfügten.
Nicht nur für Indianer
Eine Aufgabe für Himmelsbeobachter: Wenn wir ein gedachtes Zifferblatt über den Stern Mizar platzieren â auf welche Zahl weist der groÃe Zeiger, um die Position des kleinen Reiterleins zu bestimmen? Genau: Die Elf. Dort schimmert tatsächlich der unscheinbare Alkor, der mit Mizar ein optisches Doppelsternsystem bildet. Wer ihn erkennt, darf mit auf die Jagd!
Der »GroÃe Wagen« eignet sich vortrefflich dazu, den Polarstern aufzuspüren, der genau über uns den Himmelsnordpol repräsentiert. Wir verlängern einfach die gedachte Linie zwischen den beiden hintersten Sternen des Wagens um das Fünffache und gelangen zum hell schimmernden Polarstern, um
den sich im Laufe einer Nacht das ganze Firmament zu drehen scheint. Weil er da so ruhig und erhaben seine Position behauptet, diente er frühen Nomaden und Seefahrern als wichtige Navigationshilfe.
Mit bloÃem Auge können wir in einer mondlosen Nacht etwa 6000 Sterne unterscheiden. Es sind weit entfernte Sonnen, deren Licht oft Jahrtausende braucht, bis es sich auf unserer Netzhaut spiegelt.
Unsere Sonne würde aus gröÃerer Entfernung genauso klein und glitzernd wirken wie die anderen Fixsterne am Firmament. Es sind jedoch nicht nur ferne Sonnen, die wir da sehen. Stets sind auch ein paar Planeten dabei, die â ähnlich wie unsere Erde â um unsere Sonne kreisen. In den bretonischen Sommernächten handelt es sich vorwiegend um Venus und Jupiter, die das Sonnenlicht reflektieren und deshalb besonders gut auszumachen sind. Je nach Jahreszeit
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