Wir neuen Großvaeter
Rossmarkt beigewohnt hatte, besuchten wir das Goethehaus, das für Kinder durchaus faszinierend sein kann und GroÃvätern den eigenen Erkenntnishorizont erweitert. Es war die richtige Umgebung, um meinen beiden Jungs von Goethes Kindheit in Frankfurt zu erzählen und von der seiner geliebten kleinen Schwester Cornelia.
Â
Als es von der nahen Katharinenkirche zwölf Uhr am Mittag schlug, wurde in dem Haus am GroÃen Hirschgraben zu Frankfurt der kleine Johann Wolfgang geboren. Das Kind kam so gut wie leblos auf die Welt; die schwere Geburt hatte es gezeichnet. Erst als die Brust des Neugeborenen mit Wein massiert worden war, schlug der Säugling die Augen auf, sehr groÃe, dunkelbraune, fast schwarze Augen. Später schrieb Goethe, dass es die Kraft des vollen Mondes gewesen sei, die sich seiner Geburt widersetzt haben könnte.
»Die Geburt war ein Wunder«, behauptet Richard Friedenthal in seiner Biografie Goethe â sein Leben und seine Zeit . »Die Kindersterblichkeit war hoch, auch in der Familie Goethe. Aber der Knabe war kräftig.« Noch am gleichen Tag wurde das Baby in der nahen Katharinenkirche getauft. Der Pfarrer hielt den Täufling über einen gotischen Brautteppich
mit Blumenmuster, ein Erbstück der Familie. Als Goethe starb, diente er bei der Bestattung des Dichters in der Weimarer Fürstengruft als Unterlage für den Sarg.
Mutter Elisabeth war die Tochter des SchultheiÃ, der auf verschlungenen Wegen zu einem Vermögen gekommen war. Mit dem Schwiegersohn â Goethes Vater â führte er oft hitzige politische Diskussionen. Doch seinen Enkeln Johann Wolfgang und Cornelia war er ein vorbildlicher GroÃvater. Er bewirtete sie auf das Feinste und machte sie auf langen Spaziergängen mit der Geschichte der Freien Reichsstadt vertraut. Dabei lernte der aufgeweckte Junge bereits die Welt seines späteren Faust -Dramas kennen: Verwinkelte dunkle Gassen, Fachwerkhäuser, die dicht an dicht standen und kaum Platz für Sonnenstrahlen lieÃen.
Goethe hatte eine glückliche Kindheit. Die Eltern waren wohlhabend.
Der GroÃvater väterlicherseits war aus Frankreich eingewandert, wo er zuletzt in der Seidenstadt Lyon als Schneider gearbeitet hatte. Er nannte sich zeitlebens Göthé und heiratete nach dem Tod seiner ersten Frau eine reiche Schneiderwitwe, die einen gut eingeführten Frankfurter Gasthof mit in die Ehe brachte. Als er lange vor der Geburt seines berühmten Enkels starb, hinterlieà er ein Vermögen von über 100.000 Gulden in Grundstücken und siebzehn Ledersäcken mit Bargeld.
Der Dichter Johann Wolfgang hat seinen GroÃvater nie öffentlich erwähnt, obwohl er sich noch in späteren Jahren manch gute Flasche Rotwein aus dem Fundus des alten Schneidermeisters genehmigte. Es heiÃt, dass er sich noch in seiner Weimarer Residenz daran gelabt haben soll.
Goethes Vater Johann Caspar hat sein Leben lang vom Vermögen seines Erzeugers gezehrt, hat keinen Gulden dazuverdient und trug den für 313 Gulden erkauften Titel »Kaiserlicher Rat«.
Die Erwerbslosigkeit des Vaters hatte durchaus Vorteile für seine Kinder. Johann Wolfgang und seine Schwester Cornelia besuchten keine öffentliche Schule. Wenn sie nicht von ihrem gebildeten und weitgereisten Vater unterrichtet wurden, kamen Lehrer der unterschiedlichsten Fachrichtungen ins Haus. Cornelia lernte vor allem verschiedene Musikinstrumente bedienen. Gemeinsam mit ihrem Bruder wurde sie im Malen unterrichtet, und beide schrieben kleine Theaterstücke, die sie auf einem Puppentheater der versammelten Familie vorführten.
Die Mutter Catharina Elisabeth Goethe war eine stets liebevolle Ehefrau, eine wunderbare Gastgeberin, eine begabte Köchin, eine begnadete Frohnatur, eine Förderin der schönen Künste und ein warmherziger, kluger Mensch. »Frau Aja« â wie sie von den Freunden des Sohnes liebevoll genannt wurde â konnte Geschichten erzählen, liebte das Theater und korrespondierte mit Schauspielern, Malern und Philosophen. Mit ihrem früh berühmt gewordenen Sohn, der später als Dichter und Minister in Weimar residierte, tauschte sie Hunderte von Briefen aus.
Goethe liebte seine Mutter, doch zu einem Besuch bei ihr in Frankfurt konnte er sich als Erwachsener niemals entschlieÃen.
Dennoch war sie »eine glückliche Frau«, wie Elisabeth Goethe der Herzogin Anna Amalia schrieb. War es
Weitere Kostenlose Bücher