Wir schaffen es gemeinsam
wir das Leben geschenkt haben. Ich habe sie hin und wieder mal gesehen. Sie ist niedlich.“
„Ja, und wissen Sie was? Yvonne hat ein entzückendes Bild von ihr gemalt. Es ist auf der Ausstellung der Jungen Kunst’ angenommen worden. Das und noch vier andere. Nächsten Sonntag ist die Eröffnung. Sie glauben gar nicht, wie gespannt wir sind!“
„Doch, das glaube ich allerdings. Sind Sie bei der Eröffnung dabei?“
„Aber das ist doch klar!“
„Kann ich mich an Ihre Fersen heften?“ Mir hüpfte das Herz bis in den Hals hinauf.
„Aber gern. Haben Sie Freude an Bildern?“
„Sehr viel. Um aber von was anderem zu reden… was wollen Sie jetzt beginnen?“
Komischerweise kam es mir gar nicht in den Sinn, daß Dr. Steneng eigentlich gar kein Recht hatte, danach zu fragen. Ich antwortete ehrlich und offen.
„Ich weiß es noch nicht. Es ist unmöglich, wieder mit Pflanzen anzufangen, es ist jetzt nicht die Zeit. Wozu ich Lust hätte, das wäre Kinder hüten. Ich war im Sommer vierzehn Tage lang Kindermädchen, und das habe ich sehr gern gemacht. Wenn ich mich als ,Parktante’ oder ‚Spielplatztante’ anbieten könnte, dann… aber dazu ist jetzt auch nicht die richtige Jahreszeit. Jetzt kommt die Kälte und der Herbstregen, und da kann man die Kleinen nicht in den Park mit hinausnehmen.“
„Hm“, machte der Arzt und kaute nachdenklich auf seiner Stummelpfeife herum. Dann strahlte er. „Aber hören Sie mal her! Haben Sie jemals etwas vom Kinderparken gehört? Wäre das nicht ein Gedanke? Es kommt so oft vor, daß meine Patientinnen sich entschuldigen, wenn sie die kleinen Kinder mitbringen, aber sie hätten niemanden, bei dem sie sie lassen könnten. Einen Ort also, wo die Mütter ihre Kinder vormittags getrost parken können, während sie selbst ihre Wege machen. Wie finden Sie diesen Gedanken?“
„Blendend! Ich habe ja jetzt den langen Tisch und eine Menge Stühle… da brauche ich mir nur einen Klumpen Plastilin und einen Haufen Buntstifte und Papier anzuschaffen, dann sind die Würmer beschäftigt. Frühstück können sie auch bekommen… Milch und Haferflockenkeks…“
„Man sieht, Sie sind es gewöhnt, schnell zu denken. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie damit anfangen, dann werde ich Sie meinen Patientinnen empfehlen.“
„Tausend Dank, Herr Doktor! Dazu habe ich wirklich große Lust. Und das wäre etwas, das sehr viel beständiger sein kann als Blumenpflege und Abmagerungskuren. Wenn es bloß was wird!“
„Dann hole ich Sie also Sonntag um halb ein Uhr ab, wenn es Ihnen recht ist“, sagte Dr. Steneng, als er mich zur Tür begleitete.
Erst als ich bei uns oben war, fiel mir ein, daß sowohl der Doktor als auch ich die Bezahlung für die Strümpfe ganz vergessen hatten.
Kunst und Kummer
Yvonne ging voraus. Sie hatte sich mit einem ihrer Malerkollegen verabredet. Und ich war allein, als Dr. Steneng kam, um mich zu holen.
Ein sonniger, farbenprächtiger Oktobertag. Die Leute schlenderten langsam im Sonnenschein dahin. Es kamen viele in die Ausstellung.
Sie standen in Gruppen beisammen, manche sprachen leise, zeigten und schauten in den Katalog, andere starrten interessiert auf ein bestimmtes Bild. Es gab ungemein viel Sachverständige, die in lauten Tönen wüste abstrakte Kompositionen lobten – abstrakte Bilder tragen bekanntlich immer den aufschlußreichen Titel „Komposition“ – und es gab viele Großmütter junger Maler, die zwischen all dieser modernen Kunst aussahen wie verirrte Hühner. Da waren Bilder von nackten Menschen mit grünen Gesichtern, da waren Stilleben mit schiefen Tonkrügen, die über einem unwahrscheinlichen Tisch sozusagen in der Luft schwammen, da gab es Ausblicke über gelbe und violette Dächer, da war die „Gattin des Künstlers“, die aussah, als bekomme sie nie etwas zu essen, statt dessen aber rote Sammetkleider, und da gab es Selbstporträts, die deutlich verrieten, daß Eingebildetheit nicht ein hervorstechender Zug bei Malern sein konnte. Dann waren da noch Seestücke, Fjällpartien und Gartenbilder mit blühenden Apfelbäumen.
„Da ist Mouche!“ Ich war so eifrig, daß ich Dr. Steneng am Arm packte.
Vor Mouche standen vier, fünf Personen. Sie lächelten alle wohlwollend. Obwohl Yvonne in gewissem Sinne modern malt, konnten selbst wir Nichtkunstverständigen die ganze Anmut der Katze erkennen, die Bewegung der kleinen Pfote, die sich nach einer großen Blütenknospe ausstreckte.
Die Leute schauten in den Katalog. Ich
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