Wir sehen uns in der Hölle: Noch mehr wahre Geschichten von einem deutschen Hells Angel (German Edition)
ihn aber nicht sonderlich beeindruckte. Da schoss mir die nächste Schlagzeile durch den Kopf: »Doofer Hells Angel wird von Rollstuhlfahrer gerettet«. Das durfte nicht sein. Ich zerrte und zog an mir und an dem Bike herum und versuchte, irgendwie wieder auf die Beine zu kommen. Mein Blick immer auf den Rollstuhlfahrer gerichtet, der unaufhaltsam näher kam. Mittlerweile rief er mir sogar zu: »Keine Angst, junger Mann, ich helfe Ihnen!« Ich dachte mir so: »Ha, keine Angst. Wenn der wüsste!« Ich entwickelte vor lauter Panik, dass er mich doch noch erreicht, Bärenkräfte und wuchtete das Bike endlich hoch. Und das trotz Standschwäche, denn das nasse Laub klebte nun mittlerweile in nicht geringer Menge auch an mir und war immer noch unter meinen Füßen. Kurz bevor Mister Ersthelfer bei mir ankam, schmiss ich den Motor an. Jetzt nur noch Gang reinhauen und nichts wie weg! Mein Weg führte mich direkt wieder nach Hause. Ich hatte die Schnauze voll!
Bilanz: Zehn Kilometer gefahren, zwei Mal aufs Maul gelegt, Mopped mit Delle, Blinker ab und mehr als miese Laune. Und was habe ich daraus gelernt? Null Komma nichts! Das blöde Schloss habe ich noch mehrmals vergessen, bis ich es endlich abgeschafft habe. Die Kreuzung befahre ich immer noch, auch im Herbst. Aber ob ich mich da noch einmal hingelegt habe, verrate ich nicht.
Affenarme hoch!
Es gibt bei den Hells Angels auch noch eine weitere Kategorie von Bikes, die sogenannten Chopper. Das sind unter anderem sogenannte Old-School-Bikes, die in den USA in den 50er Jahren kreiert wurden. Wer den Filmklassiker Easy Rider kennt, kennt auch die klassische Chopper.
Ihre optischen Merkmale waren eine längere und steilere Vordergabel als die von gewöhnlichen Bikes und ein kleinerer Tank als üblich, sehr oft in der bekannten Eierform, von den Amis als Peanut-Style (Erdnuss) bezeichnet, oder in Form eines Sargs, auch sehr beliebt und weit verbreitet. Ebenfalls typisch war der Lenker in U-Form mit Griffen an den offenen Enden, umgangssprachlich bei Bikern »Ape-Hanger« (Affenhänger) genannt. Es gibt sie mittlerweile in einer Länge von 30 Zentimetern bis über einen Meter.
An diesem Punkt treten wieder die Hells Angels auf den Plan. Nicht alles, was vielleicht gut aussieht an einem Motorrad, ist auch bequem oder lässt sich gut fahren. Wie ich bereits bei den dicken Hinterrädern beschrieben habe, übertreiben die Hells Angels wie bei allem, auch bei den Choppern, allerdings auch manche normalen Biker. Die Jungs nehmen nicht nur eine lange Gabel, nein, sie verbauen extralange Gabeln: je länger, desto besser. Drei Meter und mehr sind da keine Seltenheit. Bei den Lenkern, den Ape-Hangern, wird an Größe auch nicht gespart. Die Grenze bei den Lenkern setzt nur die anatomische Armlänge des Fahrers, ganz nach dem Motto: Je höher die Arme gestreckt werden müssen, um die Lenkerenden mit Gasgriff, Brems- und Kupplungshebel zu erreichen – wohlgemerkt in möglichst aufrechter Sitzhaltung, um dem Ganzen ein noch imposanteres Aussehen zu geben –, desto besser.
Aber auch bei den Ape-Hangern steckt wie immer der Teufel im Detail, genauso wie bei den kleinen Tanks. Denn sie haben nur ein Spritvolumen von wenigen Litern, was die Reichweite natürlich enorm einschränkt. Das stört die Hells Angels aber vor allem in Deutschland nicht besonders; bis zur Eisdiele reicht es sicher. Bei den sowieso überwiegend kurzen Fahrtstrecken sind zusätzliche Tankstopps nach 50 bis 70 Kilometern mit solchen Choppern aber auch aus einem anderen Grund recht willkommen. Ich erkläre gleich, warum.
Der Fahrkomfort der Bikes mit extralangen Gabeln ist jenseits von Gut und Böse. Solche Chopper haben einen Wendekreis eines mittelgroßen Lidl-Parkplatzes; Kurvenfahren ist nur bei sehr groß gezogenem Radius möglich. Das bedeutet enge Kurven mit Gegenverkehr sind nicht fahrbar, ohne einen Frontalzusammenstoß mit dem Gegenverkehr zu riskieren. Ihr könnt es mir glauben: Die Kurven müssen bei einer Fahrt von den Jungs sehr gut geplant werden, sonst gibt es ein Fiasko mit Absteigen und Mopped durch die Kurve rangieren. Sieht echt scheiße aus, habe ich aber schon mehrmals gesehen. Peinlich …
Wenn ihr glaubt, das waren jetzt alle Probleme, die Hells Angels mit ihren Bikes haben – weit gefehlt. Jetzt kommt für mich der eigentliche Höhepunkt des Ganzen! Ich selbst habe schon auf so einem Mopped mit Ape-Hangern gesessen und kann aus erster Hand einen Erfahrungsbericht liefern.
Wenn du also
Weitere Kostenlose Bücher