Wir sehen uns in der Hölle: Noch mehr wahre Geschichten von einem deutschen Hells Angel (German Edition)
die Bewerber waren allesamt talentfrei. Das A und O bei einer Rennmaschine ist aber nun einmal der Fahrer. Da hilft es auch nicht, wenn man sich dazu berufen fühlt, denn als Rennfahrer braucht man wirklich sehr viel Talent, um auf die vordersten Plätze zu fahren. Das ist genauso, als käme ich plötzlich auf die Idee, feinste Stickarbeiten auszuführen oder Skispringer zu werden. Na ja, das Ergebnis war, dass wir das Dragster-Team auflösten und alles komplett verkauften. Für wie viel, kriege ich heute nicht mehr zusammen; der Verlust war jedenfalls immens – insgesamt ein teurer Spaß.
Wettlauf der Eitelkeiten
Ähnlich eitel wie bei ihren Bikes führen sich die Hells Angels auf, wenn es um die Charterfotos geht. Das sind Fotos von jedem Charter der Welt, auf denen immer alle aktuellen Member des jeweiligen Charters abgebildet sein sollen, was – wie ihr gleich sehen werdet – gar nicht so leicht einzuhalten ist. Die Hells Angels führen bei der Aktualisierung der Charterfotos schon seit über 60 Jahren einen Wettlauf mit sich selbst, den sie nie gewinnen werden. Aber sprechen wir zuerst über die Entstehung der Fotos.
Um die Charterfotos richtig in Szene zu setzen, werden keine Kosten und Mühen gescheut. Das fängt schon mit der Suche nach einer passenden, außergewöhnlichen Location an, schließlich muss auch der Bildhintergrund stimmen. Das geht nicht von heute auf morgen, da ist richtig Recherche nötig. Ist die richtige Location gefunden, zum Beispiel eine Burg oder eine andere imposante Sehenswürdigkeit, Flugzeuge im Hintergrund oder auch Rennstrecken, muss selbstverständlich ein professioneller Fotograf her. Genehmigungen für die Locations werden eingeholt, und wenn nötig, werden die Örtlichkeiten für das Shooting gemietet.
Dann hübschen sich die Member für ihren großen Auftritt so richtig auf: Die Moppeds werden geputzt und geschrubbt, bis sich die Schwämme auflösen. Je nach Übereinkunft der Member werden saubere Klamotten angezogen, die Kutte auf Vordermann gebracht, was eigentlich unnötig ist, da die meisten sowieso keine echten Gebrauchsspuren aufweisen. Dann geht es noch mal frisch zum Haircutter, wo die Haare und Bärtchen, falls vorhanden, akkurat gekürzt und in Form gebracht werden. Bei Fotos im Sommer gehen einige schon Wochen vor dem Shooting in die Muckibude, um sich so richtig aufzupumpen, was sich bei kurzärmeligen Shirts unter der Kutte optisch natürlich immer gut macht. Wenn sie dann das endgültige Okay ihrer Bräute bekommen haben, geht es mit dem Mopped ab zum Shooting – natürlich nicht auf die Straße, sondern auf den Anhänger. Das Teil darf schließlich keine Mücken auf dem Scheinwerfer haben, ist doch gerade erst frisch geputzt!
Vor Ort geht es dann um die Aufstellung der Gruppe. Die vordere Reihe ist natürlich die beste: Wer dort steht, sieht am wichtigsten aus. Da jeder dort stehen will, gibt es schon mal das eine oder andere Gerangel und kleinere Diskussionen. Wenn man sich endlich sortiert und geeinigt hat, wird möglichst grimmig geguckt, verschränkte Arme mit dicken Muckis machen sich immer gut. Sind die Fotos nach unzähligen Aufnahmen endlich im Kasten, geht es selbstzufrieden zurück ins Clubhaus, wo man ausgelassen feiert, was man doch für ein toller Hecht im Karpfenteich ist.
Das lief früher noch ganz anders ab. Bei alten Charterfotos aus der Anfangszeit hat man sich einfach irgendwo mit den Bikes hingestellt, und ein Bekannter, der eine Knipse hatte, schoss dann einfach ein Foto. Das reichte völlig aus, war ohne großen Aufwand erledigt, und man konnte schnell wieder mit dem Mopped durch die Gegend düsen. Heute aber ist die Selbstdarstellung das A und O.
Jetzt kommt aber die eigentliche Gemeinheit an der Sache: Die Charterfotos müssen, wie schon erwähnt, immer auf dem aktuellen Stand sein. Das heißt, scheidet ein Member aus, muss ein aktuelles Foto an alle anderen Charter geschickt werden. Zuerst behalf man sich einfach damit, das Gesicht des jeweiligen Members zu schwärzen, aber bei dem Kommen und Gehen bei vielen Chartern, gerade in Deutschland, ist es nicht selten, dass auf Charterfotos die Hälfte der Member schwarze Köpfe haben. Und damit nicht der Eindruck entsteht, es gäbe Farbige im Club (das ist schließlich laut World-Rules verboten, wie ihr wisst), muss wieder ein neues Bild gemacht werden. Jetzt natürlich mit noch größerem Aufwand, es soll ja nicht langweilig aussehen. Also alles wieder zurück auf Start, und die
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