Wir sehen uns in der Hölle: Noch mehr wahre Geschichten von einem deutschen Hells Angel (German Edition)
auf solch einem Bike sitzt, hast du eine Körperhaltung, die zunächst recht komfortabel erscheint. Der Schwerpunkt beim Fahren liegt sehr hoch, was zunächst kein Problem ist, aber nach relativ kurzer Zeit aufgrund der Sitzhaltung und des Gegenwinds doch recht unbequem wird, denn du streckst die Arme, je nach Höhe des Lenkers, fast senkrecht in die Luft, und schon bald stellst du fest, dass die Blutzirkulation in den Armen mehr und mehr nachlässt. Zuerst beginnen die Hände zu kribbeln, später verlierst du das Gefühl in den Händen fast vollständig. Das muss jetzt kompensiert werden. Beim linken Arm ist das kein großes Problem, denn den kann man recht entspannt während der Fahrt zwischendurch nach unten nehmen und ausschütteln, bis die Blutversorgung wieder halbwegs gewährleistet ist, und ihn dann wieder nach oben an den Griff nehmen.
Bei der rechten Hand sieht die Sache aber ganz anders aus. Nimmst du da zur Erholung und ungestörten Blutversorgung den Arm herunter, wird das Bike schlagartig langsamer, weil du ja kein Gas mehr geben kannst – sehr zur Freude deines Kumpels hinter dir, der sofort bremsen muss, um nicht aufzufahren. Um solche Kollisionen zu vermeiden, gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder den Arm nur ganz kurz herunternehmen, was aber für dich keinen großen Effekt erzielt, oder du nimmst die linke Hand auf die rechte Lenkerseite, um weiter Gas zu geben. Dieses Manöver erfordert aber, wie ihr euch wohl denken könnt, großes akrobatisches Geschick, denn an dieser Stelle kommt jetzt der Gegenwind ins Spiel: Haltet mal während einer Autofahrt bei nur fünfzig Klamotten den Arm aus dem Fenster, dann wisst ihr, was ich meine. Ist gar nicht so einfach, bei so unterschiedlichen Luftwiderständen auf Dauer die Balance zu halten. Vom Feingefühl der linken Hand am rechten Gasgriff ganz zu schweigen.
Wenn ihr also auf irgendeiner Strecke mal Bikes mit Ape-Hanger vor euch habt, ein Tipp von mir: Nicht überholen, sondern einfach mal eine Weile gemütlich hinterherfahren, beobachten und amüsieren. Lohnt sich garantiert!
Hells Angels, macht unbedingt weiter so! Motzt eure »Super Bikes« auf und belustigt uns mit euren Fahrkünsten.
Schneller, weiter, teurer
Zu meiner Zeit bei den Bones gab es schon einen clubeigenen Motorrad-Dragster, auch Drag-Bike genannt, für Beschleunigungsrennen. Mit solchen Motorrädern werden Viertelmeilen-Rennen gefahren, und allein für diesen Zweck werden sie gebaut. Ein Dragster ist also eine reine Rennmaschine, die eine hohe Beschleunigung und ein hohes Tempo für einen kurzen Zeitraum erreichen soll. Die kerzengerade Rennbahn, auf der solche Beschleunigungsrennen gefahren werden, nennt man übrigens Drag-Strip.
Unser Bones-Dragster war recht erfolgreich, schnitt bei den Rennen gut ab. Als 1999 der Zusammenschluss von den Bones und den Hells Angels vollzogen wurde, musste natürlich ein neuer, adäquater Dragster an den Start. Ganz klar: Es sollte eine neue Maschine her. Dafür wurde ein eigenes Dragster-Team gegründet, das bestens mit Geld und Equipment ausgestattet wurde. Es gab einige Anfangsschwierigkeiten, weil jeder seinen Senf dazugeben wollte, aber nach und nach kam das Team in die Puschen. Doch schon bei den ersten Testfahrten stellte sich heraus: Eine solche Rennmaschine zu bauen ist gar nicht so leicht, vor allem wenn man nicht über das nötige Wissen verfügt. Viel Geld zu haben nützt da recht wenig.
Trotzdem waren sich die Jungs schnell einig, dass sie nur mit den allerbesten Teilen aus den USA Erfolg haben würden. Das mit den Teilen stimmte ja – nur muss man sich eben auch mit der Technik äußerst gut auskennen. Es wurden also Reisen in die USA gestartet zu dortigen Dragster-Herstellern und Firmen, die Spezialteile herstellen wie Motoren, Rahmen, Felgen, Getriebe und so weiter, und es wurde eingekauft, was das Zeug hielt. Als die Teile endlich da waren, ging es um deren Zusammenbau und Abstimmung, was sich als ziemlich kompliziert erweisen sollte. Aber mit ungebrochenem Enthusiasmus wurde gebaut und geschraubt – und wieder ging es zum Testen auf die Piste. Das Ergebnis: jede Menge herber Rückschläge. Mal platzte der Motor, ab und an zerlegte sich das Getriebe in seine Bestandteile, oder die Kupplung segnete das Zeitliche. Und nach jedem Rückschlag fielen natürlich wieder enorme Kosten für Ersatzteile und Reisen an. Deshalb wurde ein eigener Werkstattwagen angeschafft, ausgestattet vom Feinsten, da könnte jedes professionelle
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