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Wir sehen uns in Paris

Wir sehen uns in Paris

Titel: Wir sehen uns in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kolloch Elisabeth Zöller
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sich kurz um. Es ist schon recht spät, fast elf Uhr und alles ziemlich leer. Nur hier und da warten noch vereinzelte Reisende, laufen ein paar Gäste herum, hasten Menschen an ihnen vorbei. John rennt bereits weiter und Isabella folgt ihm, als ginge es um ihr Leben. Schon sind sie vorn in der Bahnhofshalle.
    Sie ist übersichtlich. Zu übersichtlich!
    John läuft mit Isabella auf eine Ausgangstür zu. Er scheint im Fliehen geübt zu sein. Hoffentlich lässt er sie nicht irgendwo zurück. Allein ist er sicherlich schneller. Isabella beißt die Zähne zusammen, um nicht bei jedem Schritt zu schreien. Die Wunde in ihrem Bein pocht immer stärker. Isabella stöhnt. Aber John dreht sich immer wieder zu ihr um, zwinkert ihr zu. Das gibt ihr Mut. Ab und zu greift er nach ihrer Hand und zieht sie ein Stück mit.
    Vor dem Bahnhof öffnet sich ein weiter Platz. Es ist Wochenende und es ist auch jetzt noch warm. Aber dunkel. Auf dem Bahnhofsvorplatz ist einiges los. Die Brunnen sprudeln und sind wunderbar beleuchtet. Doch Isabella hört nur ihren eigenen keuchenden Atem. Folgt ihnen jemand? Sie wird etwas langsamer und schaut sich um. Vielleicht war der Schaffner zu überrascht, um ihnen gleich hinterherzulaufen? Und er muss ja auch bei seinem Zug bleiben. Aber er könnte seine Kollegen im Bahnhof alarmiert haben. Waren da nicht gerade Schritte hinter ihnen?
    Beruhige dich, Isabella. Am liebsten würde sie sich jetzt fallen lassen. Es ist so schön hier: die Springbrunnen, die Lichter. Über ihnen thront auf einem Sockel ein bronzener Reiter. Der Himmel ist voller Sterne, sonst dunkelblau. Warum bleibt sie nicht auf diesem Platz, zwischen den anderen Leuten?
    John läuft weiter vor ihr her, als kenne er sich aus, quer über den großen Platz, über Straßenbahnschienen, bis sie endlich rechts hinten in eine schmale Straße einbiegen. Hier ist es ruhig und dunkel. Es gibt kaum Straßenbeleuchtung.
    Für einen kleinen Moment drängt John sie in einen Hauseingang und legt einen Finger auf die Lippen. Er möchte wahrscheinlich nur lauschen, ob ihnen jemand folgt. Doch keiner der Menschen, die hier unterwegs sind, scheint sich für sie zu interessieren. Warum auch? Sie sind völlig fremd in dieser Stadt. Aus einigen Fenstern dringt noch Licht oder das Flimmern eines Fernsehapparats. Die anderen sind alle dunkel.
    Isabella atmet tief durch, sie hat das Gefühl, dass ihre Lunge nach dem Laufen brennt. Und sie hat heftiges Seitenstechen. Aber warum eigentlich? So ein Sprint macht ihr normalerweise nichts aus. Doch heute scheint alles anders. Vielleicht ist es wirklich nur ihr Bein. Auch das brennt, pocht.
    Plötzlich hört sie Schritte am Eingang der Gasse, Schuhe, die schwer auftreten, und ein paar Wortfetzen. Aber sie verstehen nichts von dem, was gerufen wird. Vermutlich sind es Passanten, die auf dem Weg zur Nachtschicht sind oder zu einer Party durch die Straßen laufen.
    »Und nun?« Isabella setzt sich auf die Treppenstufen des Hauseingangs neben John.
    »Jetzt warten wir eine halbe Stunde und dann gehen wir zurück zum Bahnhof.« John sagt das, als wäre es das Selbst verständlichste auf der Welt.
    »Zurück zum Bahnhof?« Isabella sieht ihn entgeistert an.
    »Natürlich. Wir reisen weiter. Was sonst? Aber wir nehmen Regionalbahnen. Erstens wird auf den Strecken viel weniger kontrolliert und zweitens halten die an jeder Milchkanne. Man kann sich schneller absetzen.«
    »Du kennst dich aus, was?« Isabella ist erstaunt. Sie meint es noch nicht mal ironisch.
    »Sei doch froh«, gibt John zurück. »Sonst wärst du schon längst wieder auf dem Weg nach Hause.« Er lächelt sie an. Dann steht er auf.
    Isabella streckt ihm die Hand entgegen und lässt sich von ihm hochziehen. Sie macht ein paar unsichere Schritte und verzieht das Gesicht. Die Lauferei hat dem Bein bestimmt nicht gutgetan. Sie bemerkt Johns aufmerksamen Blick und versucht schnell, sich nichts anmerken zu lassen. Denn wenn John mitkriegt, dass sie für Verfolgungsjagden nicht zu gebrauchen ist, lässt er sie am Ende noch allein. Und das will sie nicht. Nicht jetzt.
    »Was glaubst du, suchen die uns am Bahnhof?«, fragt Isabella, als sie eine halbe Stunde später wieder über den Platz mit den Springbrunnen laufen. Je näher sie dem Gebäude kommen, desto mulmiger wird es ihr.
    »Mit Fahndungsfoto und so?« John lacht leise auf. »Ich glaube, du hast zu viele Krimis geguckt. Du bist doch keine Verbrecherin oder Geheimagentin. Du bist nur schwarzgefahren. Deswegen

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