Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit
mit Kaffee und Zucker beglückt, sondern auch mit großem Reichtum beschenkt habe – der Kommandant zuckt zusammen –, auch einige der Einheimischen ihre
fortune
gemacht hätten. Plantagenbesitzer im Dienste Frankreichs und Kaufleute, die vor Ort die Arbeit machten, denn irgendjemand müsse die Arbeit ja tun, hätten ihre Söhne und besonders talentierte Sklaven nach Europa geschickt, um zu studieren, auch Musik und die schönen Künste, vor allem und besonders die Malerei. Die Maler sollten bei ihrer Rückkehr als Chronisten der bedeutenden Familien dienen und alle Mitglieder porträtieren.
Was der Monsieur de Kleist wieder alles weiß, sagt der Kommandant und runzelt geplättet die Stirn. Ist das alles wahr oder die Erfindung, pardon, eines Dichters?
Nein, nein, ruft Heinrich empört, es ist die absolute Wahrheit! Haben Sie denn nie vom Chevalier de Saint Georges gehört? Halb Paris hat ihm zu Füßen gelegen, ein schwarzer Komponist! Man nannte ihn
le Mozart noir
! Haben Sie sich denn nie – damit befasst, will er sagen, doch er beißt sich ausnahmsweise auf die Lippen – nun, jedenfalls, die jungen Männer, die nicht im kalten Paris bleiben wollten, keinem von ihnen wäre dies eingefallen! – das ist ihm nun herausgerutscht,
tant pis
, was soll’s – kehrten zurück und haben gemalt. Die Porträts, die sie machten, verschafften ihnen ein Auskommen und Ansehen, und so meldeten sich bald auch einige Schüler. Unser Émile hier hatte das Glück, bei einem dieser Herren ein wenig Anleitung zu erhalten, er ist jedoch, wie ich es sehe, ein begnadeter Autodidakt.
Der Kommandant ist von all diesen Worten vollkommen überrumpelt. Fassungslos. Doch auch irgendwie amüsiert. Dieser Monsieur de Kleist! Was für ein Feuerkopf! Was soll er tun? Ist Unruhe unter den anderen Gefangenen zu befürchten, wenn er dem Schwarzen diese Freiheit gewährt? Ach was niemand beachtet ihn, schwieriger wäre es schon, wenn er ihm ein besseres Essen zukommen ließe. Émile Liberté hat Glück, der Kommandant lässt ihm Papier und Bleistift bringen, auf den Versuch käme es doch schließlich an, und Émile, überglücklich, beginnt zu zeichnen. Sein Verlies, die dicken Mauern, seine Mitinsassen, die Teller, aus denen sie ihre Suppe löffeln, das Brot, seine abgetretenen Schuhe.
Der Kommandant sieht sich die Bilder an. Er nickt und murmelt etwas vor sich hin. Er lässt schwereres Papier, Pinsel und Ölfarben bringen, nicht viel, doch es genügt. Er beauftragt Émile Liberté, er solle das Fort malen, er denkt, das sei eine gute Idee. Doch dann zieht er die Brauen zusammen und sagt, nein, er solle vielleicht doch lieber – die Gefangenen porträtieren.
Émile Liberté kann es nicht glauben. Er ist außer sich vor Freude. Seine Schultern sitzen plötzlich gerade, aufrecht trägt er seinen schönen Kopf. Etwas geht ihm dort hindurch, er bittet den Kommandanten unter ehrerbietigen Bezeugungen, er möchte einen Wunsch äußern.
Der Kommandant rauft sich die Haare. Was denn jetzt noch? Es ist ja unerhört! Doch die Neugier ist stärker als Zaudern und Üblichkeiten.
Bitte, sagt der Kommandant, aber er werde nicht unverschämt!
Monsieur le poète, Henri de Kleist, ob er ihn –?
Der Kommandant seufzt, ein Moment der Stille, in die der Wind hineinheult, dann nickt er und scheucht Émile mit ungeduldiger Gebärde fort.
Geh er, geh er, fang er an! Nun ist es aber genug.
Ça suffit!
Du fragst mich, ob einer in wenigen Wochen so viel erleben kann?
3
Du kannst mir erzählen, so viel wie du willst, diese Nacht ist lang, und der Tod wird unendlich sein. Ich weiß, dass du dort glücklich warst. Aber sieh mich doch einmal an und sprich doch auch ein klein wenig von mir, von deiner Liebe zu mir und von unserem Plan, gemeinsam zu sterben. Unsere Zeit hier läuft, Stunde um Stunde vergeht, mein lieber Freund, mein liebstes Herz, mein Hoffen und Harren, meine Stimme, mein Paradies – der Tod wird unendlich sein –
Aber noch sind sie am Leben, und im Leben macht man leicht alles falsch.
Der Abend ist nur der Anfang der Nacht. Über dem See steigt Feuchtigkeit auf, ein halber Mond leuchtet schwach, am andern Ufer, noch schwächer macht das scharfe Auge das einsame Licht eines Hofes aus. Einzelne Wolken kreuzen Mond und Sterne, ziehen vorüber, schnell, als hätten sie es eilig, an einen besseren Ort zu gelangen. Eine Krähe plustert sich einsam. Wellen kräuseln sich auf dem dunklen See.
Heinrich und Henriette haben
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