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Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Titel: Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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inzwischen das bestellte Abendbrot des Hauses gegessen, das ihnen das Dienstmädchen auf das Zimmer gebracht hat, begleitet vondem Diener Riebisch, der ihr mit einer großen Laterne den Weg geleuchtet hat. In Milch vergorenes Kraut gab es, weiche Kartoffeln und harte Wurst, dazu haben sie eine Flasche Wein des Hauses getrunken, nicht der allerbeste, aber sie sind nicht verwöhnt, Heinrich gute zwei Drittel, Henriette ein knappes, aus schönen geschliffenen Gläsern, die man ihnen dafür gebracht hat. Es wird die letzte richtige Mahlzeit sein, in ihrem Leben, doch vor lauter Reden achten sie gar nicht darauf. Sie haben sogar weitergeredet, als das Dienstmädchen und der Diener gekommen sind, um das leer gegessene Geschirr wieder abzuholen.
    Und plötzlich streiten sie sich. Aus heiterem Himmel kommt es. Als wäre ein Zwietrachtsäer durchs Zimmer geschlichen und hätte ihre Freude nicht geduldet. An wen sie noch schreiben sollen, darüber zanken sie. Henriette hat davon angefangen, einfach so, kein Mensch weiß warum, am wenigsten Heinrich. Heinrich sagt, es sei alles gesagt, er sagt es für seine Art recht streng. Sie hätten doch eigens den Wirt um Schreibzeug gebeten, erwidert Henriette. Am Morgen in Berlin hätten sie doch zusammen gesessen, um alles zu erledigen, zetert Heinrich, er wolle jetzt nichts mehr davon wissen. Er sei fertig mit allen. Sie gehe ihm fort! Seine Augen sind dunkelblau vor Zorn, seine Miene ist finster. Henriette versteht die Welt nicht mehr. Vor ihrer Abreise, schafutert Heinrich weiter, hätten sie sogar an Sophie und Adam Müller geschrieben. Ganz gegen seinen Willen. Er habe auf ihr Drängen hin an Sophie geschrieben, er wisse gar nicht mehr, wieso. Noch weniger, wieso sie auch noch an Adam hatte schreiben müssen,das sei ihm jetzt geradezu verhasst. Was sie nun wolle.
    Du hängst noch zu sehr am Leben, sagt er. Seine Stimme klingt wie kaltes Metall.
    Henriette ist hilflos, überrannt und gekränkt. Und wütend, aber wütend sein ist nicht ihrs; er merkt es trotzdem, an der Art, wie sie plötzlich aufsteht und die Teller und Becher zusammenpackt, wie sie damit klappert und wie sie das Brot in das Tuch einschlägt und den Käse fahrig umwickelt und alles in ihren Korb pfeffert, ihren schönen ordentlichen Korb.
    Du kannst die Sachen nicht wieder in den Korb packen, braust Heinrich auf, wir brauchen ihn für etwas anderes, das weißt du doch, Herr Gott noch mal!
    Aber doch wohl erst morgen, gibt sie zwischen zusammengepressten Lippen zurück und geht mit dem Korb durch die Zwischentür in ihr Zimmer und knallt sie hinter sich zu.
     
    Es mag wohl gegen neun Uhr sein.
     
    So etwas Dummes aber auch. Der schöne Abend. Ihr letzter Abend. Sie hätte so gern noch einmal über die Musik gesprochen, die sie lieben, oder über Homer und den reisenden Odysseus, doch Heinrich war nicht zu bremsen, er musste ihr unbedingt noch eine Geschichte erzählen, von seinem Freund, dem Maler Émile, ganz versessen ist er darauf, sie kennt das von früheren Unterhaltungen, bis über die Grenze der Unhöflichkeit hinaus hat er sich an einem Thema festbeißen können, ganz gegen die Regel der feinen Konversation, bei derdoch darauf zu achten war, dass alle Beteiligten sich angesprochen und wohlfühlten, aber das machte Heinrich gar nichts aus, wenn er erst einmal in Fahrt gekommen war, und jetzt wird er offenbar überschwemmt von den Erinnerungen an diese Zeit, in der er glücklich war. So wie
jetzt
, fragt sie sich, oder behauptet er nur, es zu sein, angesichts ihres gemeinsamen Entschlusses, der nun bald in die Tat umgesetzt werden soll, mit ihr, Henriette – und redet von dem vergangenen Glück, weil doch, wie er sagt, ein Glück die Erinnerung an ein anderes hervorbringt? Sie ist sich nicht mehr so sicher.
    Und dann, ein falsches Wort, und aus. Wie soll denn das jetzt gehen?
    Tür zu. Du dort, ich hier. Allein.
     
    Heinrich trommelt mit den Fingern auf den Tisch. Schlägt mit der flachen Hand drauf. Sieht sich um. Mit den Frauen ist er im Grunde noch nie zurechtgekommen. Immer diese Empfindlichkeiten und Launen. Was musste sie auch seine Erzählung unterbrechen? Nie kann er zu Ende kommen, immer wird er gestört! Er bekommt gleich wieder Kopfschmerzen! Seine Tasche springt ihm ins Auge. Sie lehnt am Bett. Die Flasche Rum steckt drin. Sein Felleisen, der Rucksack aus schönem geschwärztem Rinderleder, an dem ein Rest vom Fell den Rand ziert, den er nun schon seit so vielen Jahren mit sich herumschleppt,

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