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Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Titel: Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Deutschen: Du.
     
    Es ist nicht der Wermut, es sind auch nicht die anderen Kräuter im Absinth, der Fenchel, der Anis, es ist der hohe Alkoholgehalt, der seine starke Wirkung zeigt. Inzwischen hat Heinrich gelernt, dass man ihn mit Wasser verdünnt, den grünen Schnaps aus der Fabrik des Monsieur Pernod. Der seine Destille aus dem schweizerischen Neuchâtel hierher nach Pontarlier verlegt hat, nicht weit vom Fort de Joux. Wegen der Nachfrage, und wegen des schwierigen Transports.
    Doch es ist auch dieses
Du
, das Heinrich beschwingt, dieses unerwartete Gegenüber, auf das er hier trifft und dessen Unterhaltung er sucht.
     
    Mars Plaisir, murmelt Heinrich an einem anderen Tag den Namen des Dieners von Toussaint l’Ouverture und sieht seinen Maler mit verzücktem Lächeln an, was für ein Name!
Mars
ist der Kriegsgott,
Plaisir
das Vergnügen,
    komm, erzähl mir mehr von Toussaint l’Ouverture!
     
    In seiner Zelle sitzen sie, ein Feuer flackert, es fiepen die Mäuse. Émile überlegt, er legt die Stirn in Falten, er fixiert Heinrich, der so sonderbar lächelt, schaut, wo er die Haarlocken ansetzen lässt, die er ihm in feinen Spitzen in die rundlich hohe Stirn malen wird. Er trinkt einen Schluck Rum, direkt aus der Flasche, und erzählt die Geschichte von Félicité-Adelaïde. Von einer schönen tapferen Frau, der jungen Frau von Jean Kina. Sie war erst sechzehn, als sie dem Rebellen die Ehe versprach. Aus einer guten Familie kam sie, war streng religiös, katholisch. Sie trug ein silbernes Kreuz an ihrem Hals. Sie war auch musikalisch, hatte ein Heft mit Noten bei sich. Siekam mit Jean und seinem Sohn, in London waren sie zusammen eingesperrt worden, die ganze Familie, mit einigem Gefolge.
    Émile schweigt, er muss sich konzentrieren. Diesen Ausdruck einzufangen, von Henri, der ihn ansieht so offen und –
    je ne vais pas te dire   … comment   … nein, ich werde dir nicht sagen, wie   …
    Weiter, sagt Heinrich, wie geht es weiter?
    Als Frankreich mit England einen Frieden schloss, machten sie sich auf nach Frankreich. Kaum hatten sie die Küste betreten, nahm man sie erneut gefangen, schließlich waren sie gefährliche Rebellen und hatten auf Martinique und Sen Domeng Aufstände angeführt. Man setzte sie fest im Gefängnis in Paris, dann brachte man sie nach Besançon, unter schwerer Bewaffnung, für so gefährlich hielt man sie. Sie waren reich, hatten prächtige Kleider, schillernd und schön, sie hatten Silber und Ketten aus Gold; alles nahm man ihnen fort, alles. Jean Kina und sein Sohn Zamor kamen hierher, ins Fort de Joux, wo Toussaint l’Ouverture litt und fror und nichts von alledem erfuhr. Ihre Familie aber wurde zerstreut, einige kamen nach Paris, andere ins Nirgendwo. Mich hielten sie fern von ihm; ich sollte ihm nichts erzählen.
    Und was geschah mit Félicité?
    Kein Mensch weiß, wie sie hierherkam, sie kam zu Fuß aus Besançon! Sie wollte zu ihrem Mann Jean. Das nenne ich wahre Liebe!
    Nein, sagt Heinrich, das kann doch nicht sein!
    Doch, doch, sagt Émile, ich schwöre es dir! Eines Tages, gut und schön, stand sie vor dem Tor der riesigen Festungund schrie nach Jean Kina, ihrem Mann, dem Vater ihres Kindes. Die Wachen sahen sie an, als hätte es dreizehn geschlagen! Ein junges Mädchen mit schwarzer Haut, zerrissenem Kleid und – hochschwanger!
    Nein, rief Heinrich begeistert, was für eine Geschichte! Eine dunkelhäutige Frau, allein, in diesen Zeiten! Auf völlig fremdem
territoire
, man denke sich das, und schwanger! Was weiter? Was geschah?
    Was musste geschehen? Sie durfte nicht in das Fort, und mochte sie noch so sehr schreien. Félicité brachte ihr Kind zur Welt,
au bon dié
, hundert Meter tief entfernt von ihrem Mann, in dem Dorf zu seinen Füßen. Ein schwarzes Kind! Die Frauen hatten Erbarmen, in Cluse-et-Mijoux –
    Das denkst du dir doch aus, Émile!
    Und Émile lacht, jetzt ist es aber genug, jetzt muss ich malen!
     
    Tapfere schwangere Frau in Zeiten des Krieges
, notiert Heinrich, das kann er gut gebrauchen, eine Zitadelle dazu, wie diese hier, an einem anderen Ort vielleicht,
die Zitadelle ward berennt
, ja, noch eine rätselhafte Zeugung, ja, das könnte gehen,
Vater unbekannt
, sie sucht ihn, ja, das gefällt ihm sogar sehr. Heinrich wird noch einmal die Liebe mit dem Krieg kreuzen, mitten durch die Sätze werden sie rasen. Sie werden sich stauen und drängen. Er wird die Figuren zerreißen im unauflösbaren Gegensatz von Pflicht und Freiheit, Vertrauen und

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