Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit
freundlich stellen, einem nach dem Munde reden. So steht’s im Wörterbuch der deutschen Sprache, von den Gebrüdern Grimm. Und
Kalmäuser oder Kahlmäuser
? Mit h und ohne, ein mehrdeutiges, viel gebrauchtes, seltsames Wort, sagen die Brüder, Wilhelm und Jacob. Kommt von der kahlen Maus, bezeichnet einen Schmarotzer, der heimlich und unehrenhaft von anderen zehret, mickrig und schäbig. Die
Kalmäuserey
kann auch pedantisch sein, knauserisch eben und schulmeisterlich und meint auch gern einen Grillenfänger, Spinner und Stubenhocker, der nichts eigentlich im Leben vermag.
Man kann sich doch nicht ewig böse sein, sagt Adam und lächelt auf seine unwiderstehliche Art.
Sophie, bittet er seine Frau, sprich du mit Heinrich, auf dich hört er!
Was willst du von mir?, fragt Heinrich, überrascht, sie steht vor seiner Tür. Ach, Sophie, du hast mir gefallen. Dich hätt ich gern geliebt. Doch ich war ein Ehrenmann und du eine verheiratete Frau.
Heinrich, ich glaube, du irrst dich.
Nein, ich war wirklich in dich verliebt!
Ich glaube, mein Lieber, du bringst was durcheinander.
Ich glaube sogar, Adam hat dich umworben, weil er sah, dass du und ich –
Aber ich bitte dich, Heinrich, ich kannte ihn doch schon viel länger!
Trotzdem.
Nein, nein, ich bleibe dabei, du irrst dich.
Heinrich spricht von Dresden. Dort hatten Adam und Sophie gelebt, ohne Trauschein, sie war noch nicht geschieden, und Heinrich, der seine »Hermannsschlacht« dichtet und im Rausch des Schreibens gern alles mit allem verwechselt, glaubt fest, in Sophie verliebt zu sein. Dabei hat er bei ihrem Ehemann, von Haza, selber vorgesprochen und für Adam um die Scheidung gebeten! Und plötzlich ist er ganz versessen.
Alle betrügen einander, und alle betrügen sich selbst, Heinrich ist vielleicht in Adam vernarrt und macht Sophie schöne Augen, oder ist es am Ende doch umgekehrt? Wer weiß! Wildes Liebesverlangen. Riesendurcheinander. Auf der Brücke, über der Elbe, schon wieder ein Fluss, wüste Szene zwischen Freunden. Hitzige Eifersucht, ein Boot, das sich um sich selber dreht, Erde ohne Mittelpunkt, so, jetzt schubs ich dich hinunter, schreit Heinrich, ab, übers Geländer stoß ich dich, in den reißenden Strom!
Ja, Heinrich, hast du vollends den Verstand verloren?
Ja, du Schurke, das hab ich!
Doch Adam hat sich nicht schubsen lassen. Hat sich an Heinrichs Kragen festgekrallt. Mich wirst du so schnell nicht los!
Heinrich ist verliebt in viele, in die Natur, in den König, in den Kaiser, ich liebe die Frauen, doch begehr ich die Männer, du weckst in mir ganz griechische Gefühle, wasdas nun wieder heißt, ob platonisch oder nicht, da mach dir keine Gedanken, wir haben noch anderes zu tun. Es ist der Zustand der Verzückung, er bringt seine Feder in Schwung und liefert ihm die Adressaten.
Es war gerade noch mal gutgegangen, auf der Brücke, über der Elbe.
Oh weh.
Ich hasse dich, Adam. Ich brauche dich.
Und so gibt es neuen Schlamassel.
Sie stellen ihre zweite Zeitung auf die Beine, man mag sich wundern, wie. Die »Berliner Abendblätter«, im Oktober 1810. Pläne und Projekte, eine schöne Geschäftsidee! Tagesmeldungen der Polizei und dazwischen eigene Stücke. Heinrichs Erzählungen, in Fortsetzung, und Adams Aufsätze, zur Lage der Nation. Aus dem Literaturprofessor wird der Experte für politische Fragen. Das Unheil kommt durch die Hintertür herein. Tag und Nacht sitzen die beiden und redigieren, Heinrich rennt jeden Abend durch die halbe Stadt, holt Polizeiberichte, rennt wieder zurück, doch plötzlich sitzt Heinrich und redigiert allein, er merkt es kaum, er ist so besessen,
er macht schon wieder ein Auge zu. Ich möchte mal sagen: Er schielt.
Er hat ganz andere Dinge im Kopf, er schreibt die nächste Erzählung. Eine über das Verhängnis des Ver-Sehens
– – –
Sparen wir uns den Kommentar.
Und manchmal läuft er zu Henriette, in die Markgrafenstraße. Sie musizieren, sie sitzen beieinander, komisch, wie oft Louis nicht zu Hause ist! Erklär mir, was dich bedrückt, sagt Henriette. Und näht ihm beim Zuhören einen losen Knopf an. Was hat es mit der Kriegskunst auf sich? Das willst du wissen, wirklich? Und kannst du mir nicht das Fechten beibringen? Ich könnte es gar zu gern. Na gut. Aber dann spielen wir die Serenade, ja, ich habe neue Noten mitgebracht. Kurze Erholung in einer schwierigen Zeit. Warum nur ist jede Liebe bitter?
Wir schreiben das Jahr 1810. Napoleon wohnt
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