Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit
erlegen, hat dem Unheil Tür und Tor geöffnet, sich der Müdigkeit überlassen; zu spät hat sie es erkannt. Kein Lachen Paulines hat es verhindert. Mit ihrem Verlangen wurde gespielt;abgewiesen wurde sie in ihrer Antwort; herangezogen, fortgeschoben; Henriette weint keine Tränen mehr. Henriette macht sich wehrlos, die Krankheit ein Schutz vor jeder Geselligkeit, ein Schutz vor Louis in der Nacht, seinen ungeschickten Fingern, seiner unausgebildeten Natur, seinem Mangel an Feuer – für sie.
Dann kommt Heinrich. Er will nichts, er tut nichts, er ist nur da. Eine große Traurigkeit steht ihm ins Gesicht geschrieben, die sie sofort gefangen nimmt. Wortkarg ist er manchmal, ohne Unterbrechung redet er an einem anderen Tag; er ist immer freundlich.
Ich hörte, Sie mögen Musik? Was spielen Sie denn gerade?
Sie stehen am Fortepiano und blättern in den Noten, warten Sie, sagt Heinrich, fängt an zu summen, schlägt mit der Hand und dem Fuß den Takt, das ist eine schöne Melodie, das spielen wir jetzt, ja, wollen Sie?
Er kommt wieder, er kommt immer öfter, er spielt Flöte, Klarinette, von Fall zu Fall, und sie das Klavier, am liebsten, wenn sie allein sind und keiner zuhört, höchstens Ernest Peguilhen, der stille Bewunderer Henriettes, der niemals ein unpassendes Wort verliert. Der sieht, versteht, schweigt.
Eine tiefe Leidenschaft entbrennt; es ist eine jenseits von Küssen.
Ernest Frédéric Peguilhen, auch Ernst Friedrich genannt, der Freund, dem sie einen Brief schreiben, um Mitternacht, in ihrer letzten Nacht, und ihn bitten, zu kommen,am kommenden Tag, am späten Nachmittag, zum Gasthof Stimming an der Wannsee, bei Potsdam, und sich um alles zu kümmern, vor allem um Louis, Henriettes Mann. Er soll nicht allein sein, wenn er Henriette findet, tot neben Heinrich. Bleich und schön.
(Wer bist du oder was hast du?)
Alles fiel auseinander in Preußen, seit Napoleon hineingesprengt war, alle saßen immerzu auf ihren Koffern, flüchteten sich hierhin und dorthin, in den Osten bis nach Königsberg oder Prag, in den Süden nach Dresden, nach Nennhausen und in andere Ortschaften, in denen Adlige über Land und Besitz verfügten, das Einzige, das ihnen Halt gab in einer vollkommen kopflosen Zeit, kein Wunder, dass der Glaube an Land und Besitz von den Köpfen wieder Besitz nahm!
Lass es uns noch einmal versuchen, sagt Adam, sei mir doch wieder gut!
Kein anderer bietet Heinrich etwas an.
Heinrich, überleg doch mal, alle brauchen eine Zeitung! Wir nutzen sie für unseren Kampf! Die Berichte von der Polizei, über Mord und Totschlag, all das lockt die einen, und die anderen bedienen wir mit Anspruch, so etwas gibt es noch nicht in Berlin!
Heinrich war umhergeirrt, wie viele, zwischen Prag, Frankfurt an der Oder, Leipzig und Wien, als Adam sich an ihn wandte, im Winter 1810.
Schon einmal hatten sie eine Zeitschrift in den Sand gesetzt, in Dresden, es war nur zwei Jahre her. Schlimm war es gegangen. Sie erfanden ein gemeinsames literarisches Journal; der »Phöbus« machte Furore – und bald wieder blank. Man lese darin ja stets nur die beiden, Adam Müller und Heinrich von Kleist, so hieß es, man schimpfte sie schon
Adam und Eva
, und hatte bald genug. Adam gab sich verärgert, die Zeitschrift sei eine Last und diene überhaupt nur Heinrichs Interessen, und ließ ihn sitzen mitsamt den Schulden, was er persönlich jedoch bestritt. Adam lehrte Traditionen und benahm sich wie ein –
Parvenu
. Heinrich, kümmre du dich! Du hast uns reingeritten! Die Verwandtschaft wurde gebeten, Heinrich bettelte Ulrike an, vergebens, Ernst von Pfuel, Heinrichs treuster Freund, sprang ein – er konnte den Adam nicht leiden –, verlor viel Geld, ein Debakel ohnegleichen. Doch als Heinrich entdeckte, dass Adam heimlich die Zeitung verhökerte, im Alleingang an einen Verleger, schrie er und tobte und forderte ihn zum Duell.
Ernst konnte es nur knapp verhindern.
Hieß nicht Adam der Richter in Heinrichs »Zerbroche nem Krug«, der Komödie der Täuschungen??? Ja, ja, der hieß so.
Und jetzt? Kommt Adam in Berlin an und will es noch einmal versuchen?
Nimm dich in acht! Wie nennen ihn noch gleich die anderen? Tieck, Pfuel, Varnhagen und von Arnim? Kalmäuser, Fuchsschwänzer, einen verschlagenen Hund.
Fuchsschwänzer?
Mit dem Fuchsschwanz streicheln, über die Haut streichen, ein angenehm Gefühl machen. Fuchsschwänzeln, fuchsschwänzen, schmeicheln, sich heuchlerisch
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