Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit
hierhin und ich hier, ja, sie hat plötzlich so etwas an sich, es macht ihn ganz nervös. Der Kachelofen verströmt seine Wärme, das Zimmer duftet nach ihr, als hätte sie Kräuterkisschen verteilt, das Kleid für morgen hängt ordentlich am Schrank,
oh, das solltest du doch noch gar nicht sehen, Henriette errötet, stellt sich davor, er, verlegen, kratzt sich am Kopf, wohin, was nun? Und tritt den Rückzug in sein Zimmer an, über die Schwelle hin, über die Schwelle her.
Was für ein Theater! Mitten in der Nacht!
Ein Mann, eine Frau, zwei Zimmer, eine Tür.
Ich schreibe lieber an meinem Tisch, murmelt er, da haben wir beide mehr Platz, ja?
Mh, macht sie. Das passt ihr jetzt gar nicht. Aber andererseits, was soll’s? Ja, warum nicht. So haben wir mehr Platz. Aber die Tür lassen wir offen?
Na gut, knurrt er. Es ist ihm gerade alles zu viel, ein bisschen zu – was auch immer
. Ich würde ihr treulos werden wie ich es dir geworden bin
, geht es durch seine Gedanken,
wenn ich nicht sterben würde mit ihr.
Henriette muss sich erst einmal einfinden, hier, in ihrem Zimmer im Gasthof. So hat sie es immer getan. Bevor sie ein Buch liest oder einen Brief schreibt, muss sie sehen, ob alles im Haus getan ist. So hat sie es immer gehalten. Auch wenn sie ein wenig wirr war oder ohne Kraft. Wenn sie am liebsten den ganzen Tag mit wehem Kopf oder Krämpfen auf dem Sofa verbracht hätte. Immer hatte sie sich bemüht, alles in Ordnung zu halten.
Schlafwandlerisch geht sie durch den Raum, zum Fenster, wirft einen Blick hinaus, auf den See, in die Nacht, ein paar Sterne blinken schwach, der Mond steht blass, schnell zieht sie die Vorhänge zu, als fürchte sie Gespenster, rückt den Tisch gerade, der schon gerade steht. Fährt mit der Spitze ihres Ärmels über den Spiegel, denn er ist nicht eben blank. Sie nimmt eines der Tücher, die neben ihrem Waschtisch hängen, und wischt Teller und Becher aus, reibt Messer und Gabeln sauber, packt alles wieder in ihren Korb. Sie sieht den Kuchen, den sie auch mitgebracht, den hätte sie fast vergessen, ach, den essen sie morgen früh, oder irgendwann in der Nacht, wenn sie noch einmal Appetit bekommen. Es wird genügen,die Dinge am Morgen aus dem Korb zu tun, um Platz zu machen für die Waffen.
Sie ist zufrieden, alles ist gut. Sie öffnet ihre Reisetasche und holt einen gewebten Wollschal heraus, legt ihn sich über die Schultern. Stellt die Tasche wieder beiseite, neben den Schrank. Sie sieht sich um. Holzbalken, gerade und schräg, die Wände, weiß getüncht. Die schmucklose Decke. Sie mustert das Bett, in dem sie nicht schlafen wird. Sie wird doch ihre letzte Nacht auf Erden nicht mit Schlafen verbringen! Trotzdem. Sie will es jetzt wissen. Vielleicht muss sie ja doch einen Augenblick ruhen. Sie schlägt mit geübtem Griff die Decke zurück, die über dem Federbett liegt. Sie hebt das Plumeau hoch, inspiziert Bezug und Laken. Sauber. Hart. Geplättet. Keine Flecken, wie schön! Alles in possierlichster Ordnung. Sie schnüffelt, ob es klamm riecht. Sie ist überrascht. Es riecht trocken und frisch, sehr angenehm sogar. Sie setzt sich darauf. Wippt ein bisschen, das Stroh in der Matratze knirscht. Sie trägt noch immer ihr Reisekleid, graubraun, aus festem Tuch, und ihre einfachen, städtischen Stiefel. Sie streicht mit der Hand über das Bettzeug. Beugt sich herab, will nur kurz die erhitzte Wange an das kühle Leinen schmiegen. Die Augen einen Moment schließen. Träumen, dass sie hier bleibt, mit Heinrich, dass sie hier, weit fort von allen, zusammenleben, sich aneinander freuen, sich alles erzählen, was es zu erzählen gibt, aus ihrer beider Leben.
Plötzlich schreckt sie hoch. Sie fühlt einen Blick. Heinrich lugt durch den Türspalt in ihr Zimmer herein.
Sie springt auf, wie peinlich, sie auf dem Bett!
Er wird rot, er stammelt, schiebt sich einen Zentimeter weiter herein.
Ich kann nicht schreiben, sagt er, kann ich dir nicht Gesellschaft leisten? Ich schau auch nicht – er macht eine Bewegung zum Schrank hin, zu Henriettes weißem Kleid – bitte, ja?
Jetzt liegt Heinrich auf ihrem Bett! Sie muss sich an einiges gewöhnen. Die Stiefel hat er schon lange ausgezogen, die Strümpfe sind heruntergerutscht, die Halsbinde hat er abgelegt und die Weste geöffnet.
Er seufzt manchmal schwer. Er sieht ihr zu. Er lächelt. Er lauscht, hört Henriettes Feder kratzen. Ein schönes Geräusch, findet er. Und plötzlich wird ihm bewusst, er ist ja gar nicht
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