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Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Titel: Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Aufschnarchen, hält verdutzt inne,
    aber du schläfst ja, Heinrich, das ist ja unerhört!
    Sie schüttelt ihn an den Schultern, Heinrich, Heinrich, was hast du denn?
    Der arme Mann, er war gerade so herrlich eingenickt, was war denn nun schon wieder los?
    Ach Heinrich, sagt Henriette wütend und rüttelt ihn, ich schütte dir hier mein Herz aus und du schnarchst! Das gibt es doch nicht. Das kann ja wohl nicht sein! Aber ach, schlaf ruhig weiter, es ist mir egal, – sie stößt ihn heftig, er zuckt zusammen – ich schreibe jetzt Ernest in den Brief, dass er der lieben Julie meine Kaffeekanne geben kann, sie soll sie vor der Nase haben,
    da hast du mein Kännchen, liebes Julchen, das schöne Kännchen aus Messing, ich trete es dir ab, und meinen Louis dazu! Da kannst du jeden Tag an mich denken! Und die Finger sollst du dir verbrennen, so, – oh nein, jetzt hab ich die Feder abgebrochen! Ich will mir deine holen.
    Sie eilt in Heinrichs Zimmer hinüber. Zum Tisch, zum Schreibzeug. Wirft rasch einen Blick auf das Papier. Wem er wohl geschrieben hat? Nichts. Ein leeres Blatt.
    Bring doch die Flasche mit dem Wein, hört sie Heinrich von drüben rufen. Er ist wohl wieder munter.
     
    Zwei Zimmer, eine Tür, hin, her, was für ein Getrappel.
    Wirf doch noch ein Stück Holz in den Ofen.
     
    Gibt es etwas, das du bereust? Oder vermisst? Das dir nie gelungen ist?
     
    Ein Kind zu zeugen, ein Haus zu bauen, die Malerei zu erlernen, eine schöne Musik zu schreiben, ein anderer Mensch zu sein. Meiner Mutter nahe zu sein. Mich mit meinem Vater zu unterhalten. Mich meiner Schwester zu versöhnen. Noch einmal an der Oder zu sitzen wie als Kind und alles, die ganze Zukunft, offen zu wissen. Das wäre schön. Ich habe meinen Vater kaum gekannt. Er starb, als ich elf Jahre alt war, und davor – ich hab ihn nicht oft gesehen. Meine Mutter sagte zu uns Kindern, er sei ein mutiger Mann, er habe seinen eigenen Kopf. Manchmal habe ich mir eingebildet, dass er gar nicht mein Vater war. Hab ich dir erzählt, was im Taufbuch steht? Anstelle seines Namens Joachim Friedrich haben sie geschrieben, der Vater sei »Friedrich Wilhelm«. Das führte zu Gelächter, die Sippe amüsierte sich. Der König persönlich, was für ein Scherz. Der Wilhelm wurde wieder gestrichen. Und dann, als mein Vater gestorben ist, hat man mich auch von meiner Mutter getrennt. Ich hab nichts Schönes zu erzählen, Henriette. Wenn du so fragst, ich wäre gern ein Musiker geworden. Die Musik allein ist es, was mich noch interessiert. Die Musik ist eine Sprache ohne Worte, sie ist größer als alles, was ich kenne. Was rede ich. Ich will gar nicht mehr reden.
     
    Jetzt bist du wieder so traurig, sagt Henriette.
    Er sitzt auf dem Bett und wirkt ganz zerknautscht. Die Haare sind völlig verlegen. Das Hemd ist ihm aus der Hose gerutscht, alles sieht schief an ihm aus und verzogen. Doch seine blauen Augen haben eine unendliche Wärme, sie blicken zutraulich wie keine andern.
    Komm, wir trinken noch diese Flasche. Lass sie mich öffnen. Hol die Gläser. Erzähl mir eine traurige Geschichte. Die traurigste, die du kennst. Warum du immer so schwermütig warst, Henri-Jette.
    Henriette gibt ihm ein Glas und setzt sich. Auf den Stuhl neben dem Bett. Irgendwie ist ihr alles verpufft. Sie war doch gerade noch so entschlossen. Seine Traurigkeit steckt sie an. Sie liebt sie.
    Vielleicht liegt es ja alles in der Familie, sagt sie, wie zu sich selbst.
    Was meinst du? Wovon sprichst du?
    Das Unglück, meine ich. Das Unglück zwischen Männern und Frauen.
    Mh, brummt Heinrich, erzähl mir –
    Hab ich doch gerade, da hast du geschlafen.
    Ich habe alles gehört.
    Soso, das soll ich dir glauben?
    Glaub es mir, ich hörte es hier, und Heinrich legt seine Hand auf sein Herz, und da kann Henriette sich nicht wehren.
    Weißt du, was seltsam ist?
    Was?
    Ich bin dir niemals böse.
    Ich glaube, du bist überhaupt nie einem böse.
     
    Die Zeit dehnt sich, in dieser letzten Nacht. Es ist sehr still im Haus.
     
    Ich glaube, es ist eine Veranlagung, diese Neigung zum Tod. Ich glaube, ich habe sie von meiner Mutter, Carolina-Marie
Tugendreich
, eine geborene Safftin war sie.
    Wirklich? Was für ein Name.
    Sie ist gestorben, Pauline war kaum zehn Monate alt. Das Nervenfieber hat sie dahingerafft, die Nerven haben sie schon immer gequält, und ein Fieber, sagt man, befällt den Menschen, ist sein Leben in der Klemme. Der Typhus.
    Ach so?
    Jaja, glaube mir, ich bin davon überzeugt. Sie hatte sie

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