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Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit

Titel: Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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sehr schwer – eine wunderbare Ähnlichkeit!
C’est merveilleux!
So ähnlich wie Heinrich und
Hein
riette, nicht wahr?
    Über diese wunderbare Ähnlichkeit müssen die beiden schrecklich lachen, Heinrich rutscht fast von seinem Stuhl, komm doch her zu mir, sagt Henriette, sie greift nach seinem linken Bein und zieht, er fällt fast um, er hat ja die Beine unter der Decke, dann hebt er sie umständlich aus dem Federbett hervor, eine Socke fehlt, die andere ist schon verloren, er steht auf, torkelt leicht, pscht, macht er und rudert mit den Armen, wir wecken noch das ganze Haus, und sie kichern beide noch mehr, und –

6
    Ein Mann, eine Frau, zwei Zimmer, eine Tür.
    Jetzt ist es immer noch nichts geworden mit den Briefen. Wie soll das nur gehen? Einer wurde angefangen, wieder abgebrochen, und sie haben sich so vieles noch zu sagen. Henriette packt ihren Kuchen aus, die Nachwelt läuft Gefahr, nichts von den beiden zu erfahren. Dabei hatten sie es sich schon überlegt, was sie feierlich zu schreiben gedenken,
an der Wannsee, im Gasthof Stimming zu Potsdam, in der Nacht vom zwanzigsten auf den einundzwanzigsten November des Jahres 1811, die Nacht vor unserem Tod.
    Auf dem Papier, das der Gastwirt ihnen gab.
    Das Dokument ihrer letzten Nacht.
    Denn alle sollen an sie denken, wenn sie einmal nicht mehr sind.
     
    Und an Sophie schreiben wir auch, ich bitte dich, ja?
    Heinrich zieht die Luft schwer ein. Er presst die Kiefer zusammen, gleich wird er anfangen zu knirschen.
    Ich will nicht, sagt er. Sie wird es Adam zeigen. Adam wird denken –
    Soll er doch, unterbricht Henriette, soll er doch wissen, dass wir uns lieben!
    Zornig hat sie es hervorgestoßen, Heinrich hat sichgeduckt. So energisch fordert sie selten. Was will sie Adam eigentlich beweisen? Fuchsschwänzer, Kahlmäuser, ich will dir Namen sagen, dass dir schlecht wird, Adam, sie sollen dir in den Ohren klingen, bis in dein Grab!
     
    Heute Vormittag, in Berlin. Ist es nicht gestern gewesen? Ist es nicht längst nach Mitternacht? Sie sind in Henriettes Wohnung, in der Markgrafenstraße, bis die Kutsche kommt, haben sie noch drei Stunden Zeit. In der grünen Stube, vertrauter Ort, hier saßen sie am Klavier. Heinrich, der nie ein eigenes Zuhause besessen, war gern in diesem grünen Zimmer. Louis ist nicht da, er arbeitet in der Canzeley; Pauline spielt schon bei ihrer Freundin.
    Keine Zeile für diesen Hund!
    Aber Sophie? Sie kann doch nichts dazu! Sie hat uns beide stets –
    Gib mir doch etwas Rum für den Kaffee, sagt er, den blöden Adam will ich ertränken! Hätte ich ihn damals doch erfolgreich von der Brücke gestoßen, wär er doch bloß in der Elbe ertrunken, er hätte mir einigen Kummer erspart. Aber er hat sich festgekrallt an mir, durch Jacke und Hemd spürte ich seine Klauen, und er war stark in diesem Augenblick, zu stark für mich in jedem Fall. Und wie er meine Stücke immer vorgelesen hat, unerträglich, durch die Nase, und alles falsch betont! Was für ein Idiot bin ich gewesen, habe noch den Mittler für ihn gemacht, bin nach Lewitz gefahren zu Haza, ihn um die Scheidung zu bitten, von seiner Frau.
    Was hast du?
    Hab ich dir das nie erzählt? Adam war der Lehrer ihrer Kinder.
    Liebe ist meine Rache, für dich, Adam.
     
    Ach nein, was soll’s. Henriette ist das alles egal. Das alles war einmal.
     
    Henriette ist glücklich. Sie möchte es nur so gern teilen, sie möchte es jemandem sagen:
Henriette ist glücklich –
     
    Wenn ich mit mir selbst spreche, ist es manchmal, als schriebe ich dir Briefe, Heinrich. Wenn ich früher mit mir selbst sprach, leise, im Innern, irrte mein Ich umher, auf der Suche nach einem anderen, dem ich diese Briefe schreiben könnte. Ich versuchte es mit Freundinnen, zu Anfang meiner Ehe auch mit meinem Mann, doch niemals fand ich den richtigen Ton. Den Ton, der zu meinem heimlich gesuchten Adressaten gehört hätte.
    Wenn mir eine der Frauen, die ich kenne, anvertraute, dass sie ein Tagebuch führe, wie es heute weit verbreitet ist, lag mir immer die Frage auf den Lippen: Für wen? An wen denkst du? Ich stellte diese Frage nicht, denn ich ahnte, dass sie mich erstaunt ansehen würde und »für mich!« antworten. Wer ist das: für mich?
    Ich frage mich manchmal, wie es für die Frauen ist, die ihre Tagebücher füllen, Seite um Seite, irren sie auch so umher in sich selbst, so wie ich, bevor ich dich kannte? Oder haben sie sich eine Figur erdacht und sie so sehr mit Leben gefüllt, dass sie ihnen als Spiegel

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