Wir sehn uns wieder in der Ewigkeit
dient, so wie du mir?
Vielleicht habe ich nicht die richtigen Freundinnen gefunden. Louis gehörte lange nicht zu den Kreisen, die sich in den wichtigsten Salons trafen, erst seit ein, zwei Jahren fand er Eintritt; vielleicht hätte ich dort Bekanntschaft machen können mit Frauen, deren Köpfe freier waren als die meiner Bekannten.
Heinrich, als ich es ihm gegenüber einmal erwähnte, sagte dazu nur, wer weiß. Er findet nämlich, dass manche seiner Freunde in
diesen wichtigen Kreisen
neuerdings anfangen, reichlich sonderbar zu werden. Sie nähmen Zuflucht zur Religion und Spökenkiekereien, um ihre politischen Ideen zu begründen. Das sei nicht das, was er meine, wenn er von der Unendlichkeit spreche, und der Unsterblichkeit der Seele.
Ich antwortete Heinrich, dass man nicht wissen könne, ob das, was wir sehen, alles ist, ob es nicht eine Wirklichkeit geben könne, die wir nicht sehen, riechen, wahrnehmen können.
Er wurde still, seine Kiefer malmten, er knirschte mit den Zähnen, wie er es immer tut, wenn ihn etwas außerordentlich beschäftigt. Ich wartete und sah ihn an. Seine Kinderaugen verdüsterten sich, und hätte ich ihn nicht bereits so gut gekannt, ich hätte mich gefürchtet.
Deshalb, setzte er plötzlich entschieden, doch mit leiser Stimme an, deshalb werden wir sterben, Jette, damit wir diese andere Welt erfahren. Ich habe jetzt genug von Spekulationen! Ich habe genug gesehen und verstanden, hier, in dieser Wirklichkeit, ich habe hier nichts mehr zu lernen, ich bin bereit, diese eine Grenze zu überschreiten, von der uns niemand etwas erzählen kann.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, mein Atemraste, mein Herz schlug so laut, dass er es hören musste, ich nahm nur seine Hand und drückte sie ganz fest.
Tod und Leben fallen in der Liebe in eins. Sie zanken sich nicht.
Dieser Gedanke, den ich mehr fühle als dass ich ihn mit dem Verstande zu erfassen vermag, macht mich froh.
7
(Klopstock)
Heinrich und Henriette. Sie stehen am Fenster ihres Zimmers, er hat den Arm um die Taille der Freundin gelegt, mit der anderen Hand schirmt er die Augen ab, um in die Dunkelheit hinauszusehen. Sie tut es ebenso, sie stehen dort und blicken hinaus. Rabenschwarz ist die Nacht. Groß ist die Nacht, gewaltig. Mehr als eine Hymne. Ihr ganzes Leben mündet in diese phantastische Nacht. Dein Leben und mein Leben, einander vermählt. Deine Leiden, deine Freuden, meine Leiden, meine Freuden. Näher können zwei Menschen einander nicht sein. Ein Denkmal werden wir setzen. Unser Leben dieser Nacht. Schwach funkeln die Sterne am Himmel, verschwunden ist der Mond hinter Wolken. Wir sind allein, wir sind einander das Universum. Die Nacht aller Nächte. Unsere Nacht. Schöner als alle Hochzeitsnächte, reiner, freier, wilder, waghalsiger, mutiger. – Sie lachen auf, als hätten sie einen Gedanken verfolgt. Ewig wird ihre Hochzeit sein.
Blume, du stehst verpflanzet, wo du blühest,
Werth, in dieser Beschattung nicht zu wachsen,
Werth, schnell wegzublühen, der Blumen Edens
Bessre Gespielin!
Lüfte, wie diese, so die Erd’ umathmen,
Sind, die leiseren selbst, dir rauhe Weste.
Doch ein Sturmwind wird (o er kömt! entflieh du,
Eh er daherrauscht,)
Grausam, indem du nun am hellsten glänzest,
Dich hinstürzen! allein, auch hingestürzet,
Wirst du schön seyn, werden wir dich bewundern,
Aber durch Thränen!
Klopstock, sagt Heinrich mit komischer Stimme, er hat schließlich einen sitzen, Klopstock, sagt Henriette, und sie fangen an zu lachen, lauthals, ungeniert, hemmungslos, sie können gar nicht mehr aufhören zu lachen. »Klop stock « flüstern Lotte und Werther, am Fenster stehend, in Goethes Erzählung, es ist das Codewort ihrer Liebe, und auch wenn Heinrich Goethe hasst, hat er diese Geschichte stets geliebt.
Handwerker trugen ihn hinaus. Kein Geistlicher hat ihn begleitet
, zitiert Heinrich, was für ein Abgang! Genial!
Er hat
geschrieben
, was wir
tun
, erwidert Henriette und neigt huldvoll ihren Kopf, mit einem Mal sehr stolz auf ihren Mut. Ist nicht Heinrich ihr Werther, und ist nicht Louis ihr Albert, der sichere Ehemann, für den Lotte sich entscheidet? Sie aber, Henriette, ist mutiger, sie hat sich für den mittellosen Dichter entschieden. Und für den wirklichen Tod.
Wie grausam, sagt Heinrich mit gespieltem Ernst.
Wie grausam, wiederholt Henriette genauso, oh ja, sagt Heinrich, und sie fangen wieder an zu lachen, sie halten sich die Rippen, die schon wehtun von ihrem Gelächter,sie
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