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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
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wünschen, dass sich manche Eltern dafür ein bisschen mehr für die Welt ihrer Kinder interessieren. Ein richtiger Kulturschock war die letzte Einschulungsfeier. Das ist natürlich für alle ein großer Tag. Die Eltern hatten sich total aufgebrezelt, und die Kinder sahen aus wie aufgezäumte Zirkuspferdchen: Die Mädchen in Faschingsprinzessinnenkostümen, die Jungs in Kinderanzügen mit Krawatte. Und nach der Begrüßung in der Aula hätten die Eltern die Möglichkeit gehabt, mit in die Klassenzimmer zu kommen. Sich das mal anzuschauen, wie so eine Unterrichtsstunde abläuft. Es wäre auch eine Gelegenheit gewesen, mich kennenzulernen oder noch ein Foto zu schießen. Wollte aber keiner. Alle waren nur darauf bedacht, dass alles schnell vorbei ist, man hatte ja in der Kneipe einen Tisch bestellt. Ich hatte das Gefühl: Hier geht es überhaupt nicht um die Kinder und das, was in den nächsten Jahren ihren Alltag ausmacht. Es ging nur um das Event, bei
dem die Eltern mal ihre schönsten Klamotten ausführen wollten.
    In der Regel komme ich am späten Nachmittag nach Hause und bin ziemlich erledigt. Dann lache ich über Freunde, die mich anrufen und fragen: »Hey, hast du meine E-Mail heute Morgen nicht gelesen?« Wann hätte ich das denn machen sollen? Es gibt für uns Lehrer keine Computer an der Schule. Die denken, ich hab da ja nicht groß was zu tun, ich bastele und singe da ein bisschen und check dann mal eben so nebenbei meine Mails.
    Ab und zu nehme ich mal Freunde mit in die Schule, einfach nur, damit die das mal mit eigenen Augen sehen. Die sind total sprachlos, wenn sie mitbekommen, wie mein Tag so abläuft. Mit wie viel Lärm und Chaos ich konfrontiert bin. Aber auch, wie toll die Kinder sein können, denen sie so auf den ersten Blick vielleicht nichts zugetraut hätten.
    Â 
    Dreieinhalbmal so viele arme wie nichtarme Kinder wiederholen einer Studie zufolge bereits in der Grundschule eine Klasse. +++ Von 100 Kindern, die schon in ihrer Kindergartenzeit als arm gelten, bekommen nach der Grundschule nur vier Schüler die Empfehlung für den Wechsel auf das Gymnasium - bei nichtarmen Kindern sind es dagegen 30. +++ In kaum einem anderen Land ist der Leistungsunterschied zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund so stark ausgeprägt wie in Deutschland. Schüler mit Migrationshintergrund hinken denen mit in Deutschland geborenen Eltern um bis zu eineinhalb Lernjahre
hinterher. +++ Fast jedes zweite Kind in Deutschland kann am Ende seiner Grundschulzeit nicht sicher schwimmen. +++ Deutsche Lehrer sind im Durchschnitt deutlich älter als ihre Kollegen im Ausland. Mehr als die Hälfte der Pädagogen in den Grundschulen sind über 50 Jahre alt.

»Es ist fast wie eine platonische Ehe.«
    Susanne, 44 Jahre, Sekretärin, kauft Opernkarten, regelt Privatfinanzen und sagt als Einzige ihrem Chef auch mal die Meinung.
    A uf meinem Grabstein könnten einmal folgende Sätze stehen: »Rufen Sie da doch mal an!«, »Wir müssten dringend mal …«, oder: »Wieso funktioniert dieses Ding schon wieder nicht?« Drei Sätze, mit denen mich mein Chef regelmäßig in den Wahnsinn treibt. Ich glaube, wer Chefsekretärin sein will, der muss ein bisschen was aushalten können. Als Mimose hat man keine Chance. Man muss sattelfest sein, man muss den Überblick behalten, und man muss die Fähigkeit besitzen, im richtigen Moment die Ohren auf Durchzug zu stellen.
    Nur dass man mich nicht missversteht: Ich mag meinen Chef! Sonst hätte ich es auch nicht achtzehn Jahre in seinem Vorzimmer ausgehalten. Es ist fast wie eine platonische Ehe: Man verbringt viel Zeit miteinander und lernt sich sehr gut kennen. Ich kenne seine Macken, und ich kann damit umgehen. Er weiß, wo meine Grenzen sind, und lässt sich auch von mir in die Schranken weisen. So kommen wir gut miteinander aus.

    Ich arbeite in einer großen Kölner Anwaltskanzlei. Es gibt bei uns mehrere Anwälte, aber mein Chef ist der Namensgeber, der größte Fisch im Teich. Er ist fünfundsechzig Jahre alt, aber ich glaube nicht, dass er demnächst aufhört zu arbeiten. Der ist mit seiner Arbeit verheiratet, er hat keine Familie, dagegen aber viele Freunde, und engagiert sich sehr in seinem Tennisclub. Und als Chef ist er natürlich »Alte Schule«. Er kommt grundsätzlich immer im Anzug, und natürlich siezen wir uns.

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