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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alena Schroeder
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überraschen mich die Kinder auch, das sind eigentlich die schönsten Momente. Da weiß ich, warum ich den Job mache. Neulich haben wir zum Beispiel die Bäume durchgenommen. Und das fand ich toll, die Schüler wussten eine ganze Menge, obwohl das ja echte Stadtkinder sind. Sie konnten Buchen und Eichen benennen und waren richtig bei der Sache. Und wenn sie am Computer arbeiten dürfen, dann sind selbst die schwierigen Kinder sehr konzentriert und lösen sogar freiwillig Matheaufgaben.

    Es gibt so Tage, da gelingt es, eine schöne, harmonische Atmosphäre herzustellen. Wenn die Kinder etwas machen, was ihnen Spaß macht, basteln zum Beispiel, etwas selber herstellen mit Schere und Kleber. Dazu läuft ruhige Musik, alle sind ganz entspannt und arbeiten vor sich hin. Da sitze ich vorne am Pult und liebe meinen Job. Wenn die Kinder richtig glühen, weil sie etwas Tolles gebastelt haben. Oder weil etwas plötzlich klappt, was ihnen vorher einfach nicht gelingen wollte. Wenn auf einmal der Knoten platzt und ein Kind kann lesen und platzt dann fast vor Stolz - das rührt mich immer sehr.
    Schön ist auch immer unser gemeinsames Frühstück nach der ersten Unterrichtsphase. In der Regel haben auch alle Kinder etwas zu essen dabei - ob das dann immer so gesund ist, ist eine andere Frage. Da wird viel Cola getrunken, viele haben Erdnussflips und Schokoriegel in der Brotdose. Aber die Kinder wissen schon selber ganz gut, was es bedeutet, gesund zu essen. Wenn sie mal ein richtiges Pausenbrot dabeihaben, vielleicht sogar ein Stück Obst, dann zeigen sie mir das ganz stolz.
    Fachlich könnte ich an den Kleinen manchmal wirklich verzweifeln, dafür sind sie aber wiederum sehr gut in Sport. Die Schule hat einen Sportschwerpunkt, die Kinder haben drei Stunden Sport und zwei Stunden Schwimmen in der Woche. Beim Sportunterricht habe ich alle Erstklässler der Schule zusammen, das heißt: Ich bin mit fünfzig Sechsjährigen in einer Turnhalle. Und es ist kaum zu glauben: Da sind sie sehr diszipliniert. Sitzen still und
hören zu. Es ist mir fast schon ein bisschen unheimlich, weil es so was von Drill hat. Die Kinder sitzen zuerst aufgereiht auf dem Boden und laufen dann eine Reihe nach der anderen auf Kommando im Kreis. Ich denke immer: Die sollten in dem Alter doch hauptsächlich spielen oder ein paar Geräte ausprobieren. Aber beim Sport wird sehr auf Leistung geachtet, das ist nun einmal das Profil der Schule.
    Die Erstklässler machen zum Beispiel auch Hochsprung, obwohl das eigentlich noch viel zu früh ist. Immer, wenn Hochsprung auf dem Plan steht, haben auffallend viele ihren Turnbeutel vergessen und können angeblich nicht mitmachen. Und wenn man dann etwas nachbohrt, kommt raus: Die Kinder haben Angst vor der Latte. Das ist einfach noch zu früh, die da ranzuführen. Aber da muss ich mich fügen. Und gerade als Wessi habe ich gelernt, mit Veränderungsvorschlägen vorsichtig zu sein, damit mache ich mich hier nicht besonders beliebt.
    Natürlich gibt es auch Tage, da denke ich ernsthaft über Kündigung nach. Wenn ich mal zwei Minuten aus dem Raum gehe, und plötzlich wird mit Stühlen geschmissen. Die Kinder prügeln sich, und hinterher wollen die Eltern die zerrissenen Jacken von mir ersetzt haben. Oder sie werfen sich auf den Boden, treten um sich und sind überhaupt nicht zu bändigen. Gelegentlich sind die Kinder auch einfach unverschämt zu mir. Natürlich sollte ich das nicht persönlich nehmen, aber an manchen Tagen gelingt es mir schlechter als an anderen.

    Manchmal sind es auch ganz kleine Sachen, die mich einfach traurig machen. Dass viele Kinder nie gelernt haben, dass es gut ist, etwas zu teilen. Man würde denken, das sei selbstverständlich, dass man seinem Nachbarn mal den Bleistift leiht oder einen Radiergummi. Aber das kennen die überhaupt nicht, die empfinden auch keinen großen Klassenzusammenhalt. Jeder guckt auf sich und sieht zu, dass er nicht benachteiligt wird. Dass ihm ja niemand etwas wegnimmt. So als würde den Kindern eine Art Urvertrauen fehlen.
    Es fehlt natürlich noch an ganz anderen Sachen, und die haben nichts mit den Kindern zu tun. Es fehlt an Geld, und es fehlt an Personal. Wir haben in der Klasse Drachen gebastelt und an die Wände gehängt, deren Schwänze flattern im Luftzug, der durch die undichten Fenster dringt. Manchmal fällt die Heizung aus, dann heißt es: Bitte

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