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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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sie sich eingestand, dass er es nicht schaffen würde, sprang aber auch dann nicht zurück, sondern spreizte nur leicht die Beine, um einen festen Stand zu haben, und empfing den Wagen mit einem wuchtigen Stoß mit der flachen Hand, der ihn so abrupt zum Stehen brachte, als wäre er gegen einen massiven Felsen geprallt. Ihre Handballen hinterließen in der Motorhaube zentimetertiefe Dellen.

    Sie gönnte sich den kleinen Spaß, ein fröhliches Grinsen aufzusetzen, und schlenderte gemächlich um den Wagen herum.
    »Fahrerwechsel«, sagte sie aufgekratzt, während sie die Hand nach der Fahrertür ausstreckte. »Es tut mir leid, aber ich muss Sie bitten, den Platz mit mir zu …«
    Der Rest ihres albernen Spruches blieb ihr im Hals stecken, als sie die Tür aufriss und ins Gesicht des Fahrers blickte. Es war …
    »Tom?«, krächzte sie.
    »Lena?«, sagte Tom verdattert.
    Sie starrten sich völlig fassungslos an, dann sprudelten sie beide zugleich los: »Was machst du denn …?«
    Tom brach mit einem verwirrten Kopfschütteln ab und wollte nach dem Verschluss des Sicherheitsgurts greifen, um aus dem Wagen zu steigen, aber Lena hielt ihn mit einem raschen Kopfschütteln davon ab und begann gleichzeitig aufgeregt mit den Händen zu fuchteln.
    »Dafür ist jetzt keine Zeit«, sagte sie. »Ich erkläre dir alles unterwegs, aber jetzt müssen wir weg!«
    Sie wollte schon um den Wagen herumeilen, um auf der Beifahrerseite einzusteigen, registrierte aber erst jetzt, dass Tom nicht allein gekommen war, und verharrte. Sie erkannte den Beifahrer sofort.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte Tom. »Er hat mir alles erzählt.«
    Lena bezweifelte das. Sie starrte Lummer an, und hinter ihrer Stirn begannen sich die Gedanken zu überschlagen. Ihre Hände öffneten und schlossen sich wie tödliche Raubvogelklauen, ohne dass sie es mitbekam, und plötzlich war die Wut wieder da, ein Zorn, der mit jeder Sekunde stärker wurde und von dem sie nicht sagen konnte, wie lange sie ihn noch beherrschen würde.
    »Es ist alles in Ordnung, Lena«, sagte Tom noch einmal. Er
schien zu spüren, was in ihr los war. Wahrscheinlich sah man es ihr schlichtweg an. »Lummer hat mir alles erzählt, wirklich!«
    »Und wieso ist er dann hier?«, fragte sie mit zitternder Stimme. Und noch am Leben?
    »Weil alles … ein bisschen anders ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hat«, antwortete Tom ernst.
    »Du weißt, dass dein Freund uns an den Russen verkauft hat?«, fragte Lena.
    »Nicht so, wie Sie glauben«, sagte Lummer. Seine Stimme bebte, und Lena konnte seine Nervosität regelrecht riechen. »Was passiert ist, das tut mir leid, bitte glauben Sie mir das. Ich habe Gusow unterschätzt. Aber ich habe nie auf seiner Seite gestanden.«
    »Nein, Sie haben uns nur an ihn verkauft«, sagte Lena böse. »Was hat er Ihnen dafür bezahlt? Und wie viele Ihrer Kollegen hat es das Leben gekostet? Fünf?«
    Tom wollte auffahren, aber Lummer brachte ihn mit einer raschen Geste zum Schweigen. »Sechs«, sagte er leise. »Es tut mir unendlich leid. Ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht, und ich werde die Verantwortung dafür übernehmen. Sobald das hier vorbei ist.«
    »Wenn was vorbei ist?«, fragte Lena misstrauisch.
    Lummer machte eine Kopfbewegung nach vorn. »Ihre Freundinnen«, sagte er, »sind sie hier?«
    »Sie sind nicht meine Freundinnen«, antwortete Lena automatisch. »Und es ist nur noch eine.« Die wahrscheinlich auf dem Weg hierher ist, um euch Dummköpfen das Herz herauszureißen, fügte sie in Gedanken hinzu. Und mir gleich mit.
    Lummer und Tom tauschten einen stummen Blick. »Dann haben wir eine Chance«, sagte Tom. Er wedelte mit der Hand. »Steig ein.«
    Lena blickte ihn verständnislos an. »Wie?«
    »Wir können sie nicht entkommen lassen«, sagte Lummer.
»Ich habe gesehen, wozu Gusow imstande ist, und ich nehme an, die anderen sind genauso.«
    »Louise?« Lena tat so, als müsste sie nachdenken, und schüttelte dann heftig den Kopf. »Sie ist schlimmer.«
    »Ein Grund mehr, sie nicht entkommen zu lassen«, sagte Lummer.
    Lena lachte, auch wenn es nicht besonders amüsiert klang. »Sie haben ja keine Ahnung, wovon Sie da reden«, sagte sie.
    »Wir können dieses … Ding nicht entkommen lassen«, sagte Lummer. »Ich verlange nicht, dass Sie uns helfen, aber wir werden weiterfahren.« Er zögerte einen Moment, maß Tom mit einem seltsamen Blick und verbesserte sich dann: »Ich. Bring deine Freundin in Sicherheit, Junge.«
    »Jetzt den

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