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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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ihn für den Heiligen Gral. »Was soll das?«
    »Der Knauf ist aus Silber«, antwortete Lummer, während die Lifttür mit einem leisen Poltern hinter ihm zuglitt.
    Statt zu antworten, streckte Lena den Arm aus und schloss die Finger um den schweren Griff. Er bestand tatsächlich aus massivem Silber, aber das Zischen von verbranntem Fleisch, auf das Lummer möglicherweise gewartet hatte, kam nicht.
    »Sie sollten nicht alles glauben, was in schlechten Gruselgeschichten steht«, sagte sie.
    Lummer wirkte ein bisschen betroffen und setzte schon zu einer Antwort an, aber Lena schob ihn einfach zur Seite, nahm breitbeinig vor der Tür Aufstellung und hob die geballten Fäuste vor die Brust. Sie kam sich ziemlich albern dabei vor.
    Der Lift hielt an, und die Tür glitt summend zur Seite. Auch jetzt stand Louise nicht dahinter, um sich mit Zähnen und Klauen auf sie zu stürzen. Sie saß in einem Sessel vor dem Kamin, wandte ihnen den Rücken zu und hielt eine brennende Zigarette in der einen und das, was von Charlottes Buch übrig geblieben war, in der anderen Hand.
    »Das ging aber schnell«, sagte sie, ohne den Blick von den aufgeschlagenen Seiten zu heben. »Ich wusste, dass du zurückkommst, aber ehrlich gesagt habe ich nicht so schnell damit gerechnet.« Sie nahm einen Zug an ihrer Zigarette. »Und du hast Besuch mitgebracht. Wie reizend.«
    Lummer schob Lena einfach zur Seite, ließ den nutzlosen Gehstock fallen und griff die Pistole dafür mit beiden Händen, um auf Louise zu zielen. Einer der Daumen lag auf dem Schalter der Taschenlampe.
    »Keine Bewegung!«, sagte er. »Ein einziges Stirnrunzeln, und ich …«
    »Und was?«, sagte Louise, indem sie das Buch zuklappte und
sich langsam zu ihnen herumdrehte. Tom wich zwei Schritte zur Seite und zog einen großkalibrigen Revolver unter der Jacke hervor, um genau wie Lummer beidhändig und mit leicht gespreizten Beinen auf Louise anzulegen.
    Louise seufzte und nahm einen weiteren tiefen Zug süßlich riechenden Rauch, ehe sie antwortete: »Sie haben mich erwischt, Herr Kommissar. Ich fürchte, ich verstoße gerade aufs Heftigste gegen das Betäubungsmittelgesetz.«
    »Sie sollen sich nicht rühren!«, drohte Lummer. »Eine einzige falsche Bewegung, und ich drücke ab! Gib mir einen Vorwand!«
    Louise seufzte noch tiefer, nahm einen weiteren Zug an ihrem Joint und drückte ihn dann sorgsam im Aschenbecher aus. »Lenalein, ich muss dich tadeln«, sagte sie. »Du solltest wirklich mehr Acht auf die Auswahl deiner Freunde geben. Dein Begleiter hat wirklich keine Manieren.«
    Sie legte das Buch aus der Hand, und Lummer fauchte zum dritten Mal: »Keine falsche Bewegung, habe ich gesagt, verdammt noch mal!«
    »Dabei hatte ich gar nicht vor, eine falsche Bewegung zu machen«, sagte Louise tadelnd, »sondern eher eine richtige!«
    Die letzten Worte hatte sie nicht mehr vom Sessel aus gesagt. Vielmehr erklangen sie hinter Lena und somit genau zwischen Lummer und Tom, wo sie blitzartig aufgetaucht war. Sie war so schnell gewesen, dass selbst Lena sie nur als zuckenden Schatten gesehen hatte. Sie versetzte Lena einen Tritt in den Rücken, der sie halb über den Tisch fallen ließ, hieb Lummer und Tom mit einer beidhändigen, ballettartigen Bewegung die Waffen aus der Hand und schlug dann wuchtig ihre Köpfe zusammen. Sie tat es nur mit einem Bruchteil ihrer wirklichen Kraft, aber auch das reichte schon aus, um sie beide halb bewusstlos zu Boden sinken zu lassen.
    »Das war jetzt auch ein wenig unhöflich, ich weiß«, sagte sie
lächelnd. »Aber ich habe noch nie zu denen gehört, die lieber die andere Wange hinhalten, statt Gleiches mit Gleichem zu vergelten.«
    Sie trat Lummer in den Leib, der sich sofort mit gebrochenen Rippen krümmte.
    »Das war ausgesprochen unhöflich von Ihnen, Herr Hauptkommissar«, fuhr sie fort. »Sie kommen in mein Haus, nehmen meine Gastfreundschaft in Anspruch, und zum Dank werden Sie auch noch grob. Und dann bringen Sie auch noch dieses hässliche Ding hierher.« Kopfschüttelnd bückte sie sich nach der Waffe, die Lummer fallen lassen hatte, betrachtete sie mit einem Ausdruck, von dem Lena sich nicht sicher war, ob er ihr spöttisch oder angewidert vorkam, und fügte dann hinzu: »Was soll ich jetzt nur mit Ihnen anfangen, Herr Hauptkommissar?«
    Die einzige Antwort, die sie bekam, war ein abermaliges Stöhnen - nachdem sie ihm ein zweites Mal in die Seite getreten hatte.
    Als sie sich zu Tom umdrehte und ausholte, um ihn ebenfalls zu treten,

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