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Wir sind die Nacht

Wir sind die Nacht

Titel: Wir sind die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hohlbein Wolfgang
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ein Dutzend teurer Handtaschen und noch teurerer Jacketts, unter denen die gut gefüllten Brieftaschen ihrer Besitzer geradezu herausleuchteten. Und so langsam,
wie die Schlange vor dem grell erleuchteten Eingang des Clubs weiterrückte, blieben ihr mindestens noch zwanzig Minuten, um eine lohnende Beute auszuspähen und sich eine passende Strategie zurechtzulegen.
    Wenn sie bis dahin nicht erfroren war, hieß das. Sie bewegte prüfend die rechte Hand. Die Verletzung und der Verband hatten sich mit der Kälte zusammengetan und machten ihr mehr zu schaffen, als sie zugeben wollte, aber ihre potenziellen Sponsoren standen schließlich schon genauso lange in der Kälte wie sie und waren vermutlich auch nicht mehr die Aufmerksamsten. Und wenn alles schiefging (womit an einem Tag wie heute durchaus zu rechnen war), dann musste sie sich eben auf ihre Schnelligkeit verlassen und hoffen, dass sie wieder einmal davonkam.
    Nichts von alledem gefiel ihr, und sie hatte dasselbe Gefühl wie am Nachmittag, nur ungleich stärker: Sie hätte nicht hierher kommen sollen, die Sache schrie geradezu danach, schiefzugehen.
    Aber sie hatte keine Wahl. Holden war nicht nur ein Widerling, sondern auch jemand, der seine Drohungen wahr zu machen pflegte.
    Wie immer, wenn man darauf wartete, dass die Zeit verging, schien sie immer langsamer dahinzuschleichen. Die Schlange vor dem Eingang wurde nur quälend langsam kürzer, und zwischendurch kam sie derart lange ins Stocken, dass Lena schon mit dem Gedanken spielte, aufzugeben und irgendwo in der Stadt nach etwas anderem zu suchen, das sie zu Geld machen konnte. Aus dem dumpfen Rauschen, das sie die ganze Zeit über gehört hatte, dem Basswummern der Musik, das durch die Wände des ehemaligen Schwimmbades drang, hörte sie allmählich Teile einer Melodie, je näher sie dem Eingang kam. Schrille Gitarrentöne erklangen, wenn die Tür aufging, um ein paar Club-Besucher heraus- und exakt die gleiche Anzahl Wartender
hineinzulassen. Jetzt konnte sie den Namen CHARLOTTES CLUB in grellen Neonbuchstaben über dem Eingang erkennen. Darunter, in einer kleineren und auf sonderbare Weise irisierenden Leuchtschrift, prangte das, was offensichtlich das Motto dieses Etablissements darstellte: WIR SIND DIE NACHT.
    Etwas daran … irritierte sie. Es war ein sonderbares Gefühl, fast als enthielte dieser Satz eine Botschaft, die nicht nur weit über die bloße Bedeutung der Worte hinausging, sondern auch ganz allein für sie bestimmt war.
    Was für ein verrückter Gedanke …
    Lena lächelte knapp über sich selbst, maß den Bereich vor dem Eingang mit aufmerksameren Blicken und sah genau das, worauf sie gehofft hatte: Der eigentliche Eingang war in schon fast unangenehm grelles Licht getaucht, was dazu führte, dass der Bereich davor praktisch in vollkommener Dunkelheit dalag. Besser ging es kaum.
    Als sie weiter vorrückte, entdeckte sie etwas, was ihr weit weniger gefiel. Unübersehbar zu beiden Seiten des Eingangs angebracht, beobachteten gleich zwei Videokameras die wartende Menge. Die winzigen roten Kontrollleuchten schienen ihr verschwörerisch zuzublinzeln, während sich die Kameras langsam und beständig hin- und herdrehten, um auch wirklich jeden Zentimeter vor dem Eingang zu erfassen. Ein paar sehr unangenehme Worte schossen ihr durch den Kopf: Nachtsicht, Infrarot, Restlichtverstärker …
    Aber sie schüttelte auch diesen Gedanken ab. Das war albern. Das da war ein Nachtclub, kein Hochsicherheitstrakt. Wahrscheinlich saß an den Monitoren, die von den Kameras gefüttert wurden, nur jemand, der die Gesichter und vor allem das Outfit der Wartenden darauf abklopfte, ob sie zur Farbe der Wanddekoration passten.
    Lena bewegte weiter prüfend die Finger ihrer bandagierten
Rechten, um sie geschmeidig zu machen, rückte unauffällig ein bisschen näher an das Pärchen vor sich und versuchte sowohl sie als auch die beiden Überwachungskameras neben der Tür und die breitschultrigen Türsteher in ihren schwarzen Maßanzügen im Auge zu behalten.
    Vor allem die Kameras machten ihr Sorgen. Wenn es sich um die billigen Dinger handelte, die sie von Bahnsteigen und aus Kaufhäusern kannte, dann waren sie praktisch blind für alles, was nicht im grellen Neonlicht des Eingangs lag, aber irgendetwas sagte ihr, dass dem nicht so war.
    Und noch viel verstörender war das Gefühl, von diesen verdammten Dingern angestarrt zu werden.
    Nein. Lena verbesserte sich in Gedanken. Nicht von ihnen. Von etwas, was dahinter

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