Wir sind doch Schwestern
Hochzeitsvorbereitungen. Die Trauung war für den 18. November geplant, und da es nun ärgerlicherweise doch Winter geworden war, hatte Katty ihre Pläne für ein großes Fest auf dem Tellemannshof aufgeben müssen. Zunächst sollte es jetzt zum Standesamt nach Xanten gehen, anschließend würde die kirchliche Trauung in der Magdalenenkirche in Sonsbeck stattfinden. Der Xantener Dom war nach den vielen Bombeneinschlägen immer noch nicht vollständigwiederhergestellt, und das Wardter Gotteshaus war Katty zu klein. Sie hatte Sorge, dass nicht alle Hochzeitsgäste Platz fänden. Nach der kirchlichen Trauung würde man die Eheschließung im kleineren Rahmen im Hotel van Bebber feiern, wo Heinrich ein gern gesehener Stammgast war.
»Ich habe eine schöne Pension für Ihre Hochzeitsreise gefunden, in Bad Honnef. Sie könnten dort eine Woche bleiben«, schloss sie, und Heinrich schaute Katty nachdenklich an.
»Ich möchte, dass Sie mit dorthin kommen.«
»Ich? Das geht nicht, Herr Hegmann. Das ist Ihre Hochzeitsreise!«
»Dann verlange ich, dass Sie zumindest nach ein paar Tagen zu uns stoßen. Wir werden nach Unkel gehen und Theodors Grab aufsuchen. Ich möchte Sie dort an meiner Seite wissen.«
18. November 1946
In guten wie in schlechten Tagen
Der Wardter Kirchenchor sang Wagners »Brautchor« aus dem Lohengrin. Katty liebte das Pompöse dieser Musik und Heinrich hatte nicht widersprochen. Er hatte zu den Hochzeitsvorbereitungen ohnehin wenig beigetragen. Wann immer Katty sich nach seinen Wünschen oder Präferenzen erkundigt hatte, hatte er gesagt:
»Katty, machen Sie nur, wie Sie es für richtig halten.«
»Soll ich mich in den Details vielleicht mit Fräulein Bruhr abstimmen?«, hatte sie gefragt.
»Ach, wissen Sie, es wird ja nun doch ein gesellschaftliches Ereignis. Das ist in Ihren Händen sicherlich am besten aufgehoben.«
Das fand Katty, die in dieser Hinsicht keinerlei falsche Bescheidenheit an den Tag legte, richtig. Und so hatte sie die Form von Hochzeit geplant, die sie für einen Heinrich Hegmann angemessen hielt. Trotzdem hatte sie die groben Schritte mit der zukünftigen Frau Hegmann abgesprochen. Katty hatte gewusst, dass Anna Maria ihr nicht ins Handwerk pfuschen würde, sie sollte nur nicht das Gefühl bekommen, übergangen zu werden. Jede einzelne Hochzeitseinladung hatten sie besprochen, und als Anna Maria irgendwann jammerte, sie kenne kaum jemanden ihrer eigenen Gäste, hatte Katty geantwortet, sie werde aber die Ehefrau eines bedeutenden Mannes. Und zu dieser Hochzeit müssten selbstverständlich politische Freunde kommen und auch ein Großteil der Landwirte, die im Rheinischen Landwirtschafts-Verband vertreten waren, zumindest die, die in erreichbarer Nähe ihren Hof hatten. Doch Anna Maria möge sich keine Sorge machen, im Hotel van Bebber, bei der eigentlichen Feier, seien später nur die engsten Verwandten anwesend, darauf habe Heinrich bestanden, vor allem auch, um ihrer Familie Respekt zu erweisen.
»Und dann, bei der Hochzeitsreise, seid ihr endlich ganz unter euch.« Dabei hatte Katty ihre Hand genommen und gekichert. Anna Maria hatte sie dankbar umarmt, wobei Katty sich einen kurzen Moment schuldig gefühlt, diesem Gefühl aber nicht nachgegeben hatte.
Jetzt stand sie in der Kirche und lauschte dem Lohengrin’schen »Brautchor«. Die ersten Takte erinnerten sie immer an »O Tannenbaum«. Bald ist schon wieder Weihnachten, dachte sie, und dann der Jahreswechsel. Wie schnell die Zeit verrann. In einer Phase, in der sie nicht ganz Herr ihrer Sinne gewesen war und die ihr nun unendlich weit weg erschien, hatte sie gehofft, einmal selbst vor dem Altar zu stehen. Nun war es anders gekommen. Katty verzichtete auf Selbstmitleid. Sie hatte alles, was sie wollte. Sie war Heinrich auf eine Weise verbunden, die kein Ehegelübde hätte herstellen können. Als Gehilfin in allen Lebenslagen, als Hauswirtschafterin und Sekretärin war sie seinem Einfluss und Wirken näher, als Anna Maria es jemals sein würde. Und in diesem Moment war Katty glücklich, denn sie glaubte, dass ihr Macht und Einfluss wichtiger waren als die Liebe. Liebe war vergänglich, man konnte sich ihrer nie sicher sein. Sie würde stattdessen ihre Stellung ausbauen, beschloss Katty, sie würde sich für Heinrich Hegmann unentbehrlich machen.
Und tatsächlich war sie auf dem besten Weg dahin, daswurde ihr bewusst, als sie noch vor allen anderen die Kirche verließ. Draußen stand der Rheinische Landwirtschafts-Verband,
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