Wir sind doch Schwestern
Pfingsten erneut zu den Bruhrs und ohne große Umschweife, als wollte er es bloß hinter sich bringen, kam Heinrich zum Grund des Besuchs:
»Liebes Fräulein Bruhr, sehr verehrter Herr Bruhr. Ich bin heute nur aus einem einzigen Grunde zu Ihnen nach Bislich gekommen. Und nun kann ich es nicht mehr erwarten, Ihnen, liebes Fräulein Bruhr, liebe Anna Maria, mein Anliegen vorzutragen. Ich möchte Sie als meine Ehefrau auf den Tellemannshof heimführen. Würden Sie mir diese Ehre erweisen?«
Katty zuckte zusammen. Es war nicht gerade ein gefühlsbetonter Antrag gewesen. Heinrich hatte auf den Kniefall verzichtet und das Wort Liebe gar nicht erst in den Mund genommen. Hoffentlich hatte er die sensible Anna Maria damit nicht erschreckt. Kattys böse Ahnung bestätigte sich, aber anders, als sie erwartet hatte.
»Nun, lieber Herr Hegmann«, ergriff Anna Marias Bruder das Wort, »meine Schwester und ich haben Ihr Anliegen zuvor eingehend besprochen. Wir sind vom Grundsatz auch nicht abgeneigt. Es bedarf unserer Ansicht nach nur der Klärung eines einzigen Punktes, und das ist der Verbleib Ihrer Hauswirtschafterin, Katty Franken.«
Rums! Katty blieb die Luft weg. Sie war so benommen, dass sie einen Moment lang zögerte, bevor sie ihrem Ärger freien Lauf lassen konnte. Diesen Moment nutzte Heinrich und kam Katty mit einer Antwort zuvor, wobei er sie eindringlich anblickte, als wollte er sie auffordern, bloß den Mund zu halten.
»Nun, Fräulein Bruhr hat es bei meinem ersten Besuch im Januar bereits ganz zutreffend beschrieben. Fräulein Franken wird sicher bald heiraten. Ich habe sie allerdings gebeten, mit diesem Ereignis in jedem Falle zu warten, bis wir, liebe Anna Maria, Sie und ich, als Eheleute auf dem Tellemannshof leben. Und ich mag die Hoffnung nicht aufgeben, dass Sie meinem Werben zustimmen.«
Katty staunte nicht schlecht. Sie hatte die kurze Pause genutzt, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen, und beschloss, mitzuspielen. Doch da schaltete sich Heinz Bruhr erneut ein.
»Die Frage muss dennoch erlaubt sein, ob Fräulein Franken dann gedenkt, weiterhin als Wirtschafterin auf dem Hof zu arbeiten.«
Heinrichs Gesicht wurde hart. Er blickte seinen Schwager in spe fest an und antwortete kühl:
»Unter allen Umständen hoffe ich das, und es ist natürlichim Interesse Ihrer Schwester, denn ich möchte ihr ungern zumuten, der Schlachtung von Schweinen und Kühen beizuwohnen. Fräulein Franken hingegen ist landwirtschaftlich hervorragend ausgebildet.«
Katty hoffte, ihre soeben gepriesenen Fähigkeiten nie am offenen Schwein unter Beweis stellen zu müssen, und während sie sich noch eine Schlachtung mit Anna Marias Bruder als landwirtschaftlichem Prüfer vorstellte, hörte sie, wie dieser weiterhin nicht lockerließ. Das, was als Verlobung geplant gewesen war, hatte inzwischen die Anmutung eines Verhörs bekommen.
»Man hört Gerüchte, dass Sie Fräulein Franken so nahestehen, dass man sich fragt, warum Sie sie nicht heiraten.«
Heinrich zog die Augenbrauen gefährlich zusammen.
»Ich verwahre mich dagegen, dass Sie das Gerede der Waschweiber annehmen. Unabhängig von Fräulein Frankens Treue zum Hof muss Ihnen bewusst sein, dass sie nicht meinem gesellschaftlichen Rang entspricht. Und dass ein Mann in meiner Position darauf Wert legen sollte, verstehen Sie sicher.« An Anna Maria gewandt fuhr er fort:
»Liebe Anna Maria, ich denke, wir sollten das heutige Verlobungsgespräch beenden. Ich bitte Sie, in sich zu gehen und über meinen Antrag sehr ernsthaft nachzudenken. Ich hoffe, dass ich heute all ihre Bedenken ausräumen konnte.«
Dann stand er zügig auf und empfahl sich. Ohne sich abzusprechen, hatten Heinrich und sie den Zahnarzt als dreiste Lüge aufgetischt, als hätten sie das gleiche Ziel: eine Ehefrau, die den Ablauf auf dem Hof möglichst wenig störte.
»Es tut mir leid, Herr Hegmann«, begann sie, als sie auf dem Heimweg waren, »ich konnte nicht ahnen, dass Anna Marias Bruder so schwierig ist. Und so ehrverletzend. Ich wundere mich, dass Sie so gelassen geblieben sind.«
»Machen Sie sich keine Gedanken. Er wird der Ehe zustimmen. Das ist Verhandlungstaktik wie beim Pferdekauf. Derjenige, der wenig bezahlen will, redet das Pferd schlecht. Fahren Sie gleich am Freitag noch einmal nach Bislich und unterbreiten Sie ein Angebot. Ich verzichte auf die Auszahlung des Erbes meiner zukünftigen Ehefrau, wie bereits versprochen, und zudem müssen sie ihrem Haushalt auch keinerlei Aussteuer
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