Wir sind doch Schwestern
vertreten durch zwanzig Bauern, die mit ihren Traktoren zur Sonsbecker Kirche gefahren waren und nun mit erhobenen Heugabeln ein Spalier bildeten. Sehr gut, dachte Katty, Heinrich hat die Bauern geschlossen hinter sich versammelt, das wird ihm nützlich sein. Sie hatte die Hochzeitseinladungen so verschickt, dass sie rechtzeitig vor dem Gründungstreffen des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes eingetroffen waren. Auch diesmal war ihre Taktik aufgegangen: Heinrich war Vizepräsident geworden und gehörte damit zur Spitze eines ausgesprochen selbstbewussten Verbandes. Die Bauern wussten, dass ohne sie oder gegen sie kein Staat zu machen war, sie fürchteten weder die Briten noch die Deutschen, denn ohne die Landwirte konnten weder die einen noch die anderen überleben.
Katty blickte zufrieden auf das Bauernspalier und zog sich den Mantelkragen höher, es war bereits ziemlich kalt. Glücklicherweise war sie nicht besonders empfindlich gegen Kälte, die Pfunde auf den Rippen isolierten hervorragend. Mit beinahe huldvollem Winken nahm sie die Grüße der Bauern entgegen. Man kannte sie und respektierte sie, Katty war eine von ihnen. Jeder wusste, dass sie die Landwirtschaftsschule mit Bravour gemeistert hatte und eine leidenschaftliche Wirtschafterin war. Und jeder wusste, dass sie die rechte Hand von Heinrich Hegmann war.
Als das Brautpaar aus der Kirche trat, begann Heinrich zu strahlen. Sein Blick wanderte zu Katty, dann wieder zurück zu den Bauern. Er ließ seine frisch angetraute Ehefrau vor der Kirche stehen und trat einen Schritt auf seine Leute zu. Dann hob er beide Arme wie der Pfarrer bei der Predigt und rief ein »Danke« in die Menge.
»Dank nicht uns, es war Kattys Idee«, gab einer zurück.
Heinrich kam zu ihr, umarmte und küsste sie auf beide Wangen.
»Herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit, Herr Hegmann.«
»Ach, lass doch«, sagte Heinrich, drehte sich zu seiner Ehefrau, nahm sie an die Hand und schritt mit ihr durchs Spalier.
Nachdem sie eine geschlagene Stunde lang alle weiteren Glückwünsche im Freien entgegengenommen hatten, begab sich die Gesellschaft, nun schon deutlich reduziert, mit den Autos nach Xanten zum Hotel van Bebber. Heinrich, Anna Maria und Katty fuhren gemeinsam, das Brautpaar saß bequem hinten im Wagen, Katty hatte vorne beim Fahrer Platz genommen.
»Haben Sie den Bauer Paaßens gesehen?«, fragte Katty stolz. »Sogar der ist gekommen. Dabei stand der eine Zeit lang der SPD nah.«
»Sie haben mir gute Dienste erwiesen, Katty. Ich werde die Bauern und ihren Einfluss noch brauchen. Wenn es im nächsten Jahr erst richtige Wahlen gibt, werden sie mir Stimmen bringen.«
Da meldete sich Anna Maria zu Wort und beklagte, diese Bauernpolitik sei auf Dauer etwas ermüdend und es sei nun außerdem nicht der richtige Augenblick, um darüber zu sprechen. Man solle sich stattdessen lieber über die Hochzeitszeremonie unterhalten. Als Katty auch sofort darauf einging, rief Heinrich dazwischen.
»Katty, mir scheint, Sie werden bei der Hochzeitsreise dringend gebraucht, und zwar von beiden Eheleuten. Ich brauche Sie zum Diskutieren und meine Frau zum Klatschen. Sie kommen mit nach Bad Honnef, das ist dir doch recht, liebste Anna Maria?«
Anna Maria lächelte Katty an, und in diesem Lächeln war keine Spur von Misstrauen zu finden.
»Ich würde mich freuen. Du bist für mich wie eine Schwester.«
Das Hochzeitsessen war in vollem Gange, gerade trug man zwei gebratene Gänse auf, dazu Grünkohl mit Speck. Ein rustikales Winteressen ganz nach Heinrichs Geschmack. Dazu wurde Bier gereicht, und bald kreiste eine Schnapsflasche. Katty hatte Heinrichs wenige Verwandte, darunter eine bereits erwachsene Nichte, die auf dem Hof arbeitete, natürlich an den Brauttisch gesetzt. Rechts neben der Braut saßen deren Bruder und Schwägerin, eine weitere Schwester mit ihrem Mann und zwei ledige Cousinen. Links neben Heinrich saß sie selbst, und als wäre es selbstverständlich, hatte sie einen Teil ihrer eigenen Familie eingeladen. Gertrud und Paula hatten zusammen mit den Hofangestellten Platz genommen, auch Josef und José waren gekommen, ihre Töchter hatten Blumenmädchen gespielt.
Heinrich hatte Katty gebeten, neben ihm am Tisch zu sitzen.
»Sie wissen doch, dass ich mit meiner Familie nicht viel zu besprechen habe. Und zwischen mir und meinem Schwager ist es nicht zum Besten bestellt. Ich glaube, es wäre gut, wenn Sie am Tisch das Gespräch in Gang bringen könnten.«
Das hatte sie sich
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