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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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nicht zweimal sagen lassen. Katty liebte es, Konversation zu machen. Das hatte sie von Kindesbeinen an gelernt, da in Empel jeder animiert worden war, eigene Geschichten zu erzählen. Es war eine Eigenart ihrer Familie, denn die Bauern des Niederrheins waren an sich schweigsame Menschen. Ganz anders Katty und Heinrich, in dieser Hinsicht waren sie sich ähnlich. Manchmal dachte Katty, sie würde eigentlich nur zu diesem einen Zwecke etwas erleben, um es weitererzählen zu können. Allerdings war sie keine Klatschbase, Gerüchte interessierten sie nicht sonderlich. Zumindest interessierte es sie nicht, solche weiterzugeben. Sie wollte schon wissen, was getratscht wurde, aber dieses Wissen genügte ihr. Es würde ihr jedenfalls, da war sie ganz optimistisch, leichtfallen, die Runde an diesem Tag bis zum Ende bei Laune zuhalten, mithilfe von etwas Schnaps war ihr das noch immer gelungen. »Schwatzwasser« nannte sie den guten Appelkoorn aus Holland, eigentlich eine grauslich süße Plörre, aber er erfreute sich wachsender Beliebtheit.
    »War das nicht ein wunderbarer Chor?«, fragte Katty jetzt ihre Tischnachbarn. »Also wirklich, dieser junge Chorleiter hat aus dem bunten Sängerhaufen richtig was gemacht. Ich war begeistert.«
    Alle stimmten zu, und Katty fühlte sich in Hochform. Es dauerte gerade mal eine weitere halbe Stunde, da hatte sie die versammelte Gesellschaft so weit, dass gesungen wurde und man das Brautpaar hochleben ließ.
    Dann erhob sich Heinrich, klopfte mit der Gabel an sein Glas und hielt eine kurze Rede. Er lobte die Braut und die Familie der Braut, er schätze sich glücklich, in seinem reifen Alter eine junge Frau heimführen zu dürfen, und hoffe nach dem Tode seines geliebten Sohnes darauf, dass der liebe Gott ihn mit einem weiteren Sohn beschenken möge.
    Zum Schluss seiner Rede wandte er sich an Katty.
    »Liebe Katty, als wir gerade zusammen im Auto saßen, da sprach meine Ehefrau von dir als ihre Schwester. Wenn du ihre Schwester bist, so sollst du auch meine Schwester sein. Und deshalb möchte ich, dass wir von Stund an Du zueinander sagen, wie es innerhalb einer Familie üblich ist.«
    Die Hochzeitsgesellschaft schwieg. Hätte Heinrich Hegmann sich in dieser Art an den Bruder der Braut gewandt, so hätten sicherlich alle applaudiert. Aber der Hauswirtschafterin das Du anzubieten, war auf Hochzeitsfeiern nicht gerade üblich.
    Katty hatte für solche Fettnäpfchen ein gutes Gespür. Intuitiv stürzte sie sich auf Anna Maria, küsste sie auf beide Wangen und sagte laut und für alle vernehmlich:
    »Danke, meine liebe Freundin. Ich will euch beiden wie eine Schwester sein.«

    Dann nahm sie ihr Glas, hielt es in die Luft, rief »Auf das Brautpaar!« und hoffte inständig, dass die peinliche Situation damit überstanden wäre.
    Warum macht er das?, fragte sie sich. Das wirkt ja gerade so, als wollte er die Braut oder ihren Bruder absichtlich provozieren. Bei der nächsten Gelegenheit nahm sie Heinrich mahnend beiseite.
    »Du musst dich um Anna Marias Bruder kümmern. Er schaut finster drein. Offenbar hat er Sorge, dass seine Schwester bald wieder zurückkommt.«
    Heinrich lachte und ließ diese Frechheit ungesühnt.
    »Du bist ziemlich bissig, liebe Katty. Und du hast recht, nur weiß ich nicht, worüber ich mit ihm reden könnte. Als wir bei der Verlobungsfeier über Politik sprachen, stellte sich heraus, dass er in der SPD ist. Das war unangenehm vor meinen Kollegen. Nun will ich keinen weiteren Eklat riskieren.«
    »Reden Sie übers Wetter. Oder, ach was, ich mach schon«, sagte sie und entschied, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
    »Was glauben Sie, Herr Bruhr, werden wir in diesem Jahr wieder einen kalten Winter bekommen?«
    Anna Marias Bruder sah Katty durchdringend an.
    »Ich hoffe, dass wir alle nicht frieren müssen. Aber mit dem Wetter kenne ich mich nicht sehr gut aus. Da sind Sie als Bauern doch sicher mehr bewandert. Herr Hegmann, was meinen Sie dazu?«
    »Nun, ich fürchte, dass der Winter sehr kalt wird. Und es wird nicht genug zu essen geben. Wir hier unten am Niederrhein haben auf den Bauernhöfen großes Glück gehabt. Die Felder sind zwar völlig verwüstet gewesen, aber einiges haben wir in der diesjährigen Ernte schon wieder aufholen können. Wir werden wahrscheinlich keine große Not leiden, aber nehmen Sie Städte wie Berlin, Hamburg oder im Ruhrgebiet. Ichfrage mich, woher die Menschen das Geld für Lebensmittel nehmen sollen. Und anders als wir können die dort

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