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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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Erstaunliches zuwege gebracht. Einmal hatte sie sogar den späteren Bundespräsidenten Heinrich Lübke auf den Tellemannshof gelockt. Das war 1950 gewesen,als Lübke Landwirtschaftsminister war und noch in ganzen Sätzen sprach, ohne sich ständig zu verhaspeln und irgendwelche Merkwürdigkeiten von sich zu geben. Gertrud konnte sich gut daran erinnern, was für einen Wirbel Katty damals veranstaltet hatte. Das ganze Dorf, ach was, im Grunde der ganze Kreis Moers, war auf den Beinen gewesen.
    Katty war schon als Kind auffallend beharrlich gewesen. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte sie so lange auf ihre Schwestern einreden, bis die nachgaben, um endlich Ruhe zu haben. Vermutlich wird sie gleich wieder mit genau dieser Wucht auf mich einreden, fürchtete Gertrud. Sie fühlte sich müde und Katty nicht mehr gewachsen. Jetzt erst bemerkte sie, dass auch Paula im Zimmer war. Sie stand im Türrahmen und machte eine ungewöhnlich besorgte Miene.
    »Woran kann es denn liegen, dass meine Schwester immerzu fällt?«, hörte sie Katty das Gespräch mit dem Arzt wieder aufnehmen.
    Er nickte Gertrud aufmunternd zu: »Machen Sie sich keine Gedanken, Frau Franken, das ist nichts Schlimmes. In Ihrem Alter macht der Kreislauf schon mal schlapp.« Das war nicht die Antwort, die Katty genehm war, hatte Gertrud den Eindruck. Und als ihre Schwester den Arzt noch weiter befragen wollte, gebot sie ihr Einhalt.
    »Es reicht, Katty. Es war nichts. Ich bin eingeschlafen und habe schlecht geträumt. Und jetzt will ich nichts mehr davon hören.« Doch ihre Schwester ließ sich nicht einschüchtern.
    »Es passiert dir aber sehr häufig in letzter Zeit, dass du unwillkürlich einschläfst und dich an nichts erinnern kannst«, sagte Katty mit beißender Ironie. »Erzähl doch dem Herrn Doktor, wie ich dich neulich gefunden habe und dein Apartment fast in Flammen aufgegangen wäre.«
    »Nun hör aber auf, du übertreibst ja maßlos«, wehrte Gertrud ab, obwohl sie wusste, dass sie den Wortschwall jetzt nichtmehr stoppen konnte. Und richtig. Lang und breit erzählte Katty, wie sie den ganzen Tag lang ein ungutes Gefühl gehabt habe, wie sie zu Gertrud gefahren sei, geklingelt habe und als niemand die Tür geöffnet habe, sie einfach mit ihrem Schlüssel hineingegangen sei.
    »Ich habe gleich etwas klappern hören und geriet wirklich in Sorge«, erzählte Katty mit Inbrunst weiter. »Mein Unbehagen hat sich leider bestätigt. Die Herdplatte stand auf neun und glühte. Der Topf darauf war längst leer. Ich war richtig erschrocken, machte mir große Sorgen, vor allem, weil ich Gertrud nicht finden konnte«, sagte sie theatralisch und ließ ihren Blick bedeutungsschwanger vom Arzt zu Paula und wieder zurück schweifen. Als sie genügend Spannung erzeugt zu haben glaubte, fuhr sie fort: »Und dann saß Gertrud im Schlafzimmer und war über einem Buch eingeschlafen. Es hätte wer weiß was passieren können!«, schloss sie triumphierend.
    »Das ist gar nicht wahr. Nichts war auf dem Herd. Ich habe einfach nur ein Nickerchen gemacht, das ist alles.« Gertrud erkannte, dass sie nicht besonders überzeugend klang, aber sie wollte nicht länger vor dem Arzt bloßgestellt werden.
    »Ach, Gertrud!«, schimpfte Katty. »Du hättest beinahe ein Feuer gelegt und wärst vermutlich gleich mit verbrannt, das kannst du doch nicht leugnen. Du bist nicht mehr fit genug, um allein zu wohnen. Das musst du endlich einsehen.« Jetzt kommt sie zum eigentlichen Punkt, dachte Gertrud und beschloss, zum Gegenangriff überzugehen:
    »Du hast das doch so arrangiert. Du bist reingekommen und hast die Herdplatte angemacht, damit es so aussieht, als wäre ich senil. Glaubt ihr kein Wort.«
    »Also wirklich, Gertrud. Was hätte ich denn davon? Jetzt hör auf, mir so etwas zu unterstellen, das ist ja kindisch. Ich sorge mich einfach um dich.«
    »Du willst mich manipulieren. Das hast du immer schonmit Menschen gemacht. Aber nicht mit mir. Ich lasse mir das nicht gefallen.«
    »Jetzt reicht’s«, sagte Katty wütend, »so einen paranoiden Unsinn muss ich mir nicht länger anhören. Kommen Sie, Herr Doktor, ich begleite Sie noch zur Tür.« Die beiden verließen im Gänsemarsch das Zimmer, Katty voraus, der Doktor hinterdrein. Paula folgte ihnen. Gertrud wusste, dass das keine Glanzleistung von ihr gewesen war. Aber es war auch nicht in Ordnung, sie so vor den Kopf zu stoßen. Und diese Kleinigkeit neulich war wirklich nicht so dramatisch gewesen, wie ihre Schwester

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