Wir sind doch Schwestern
Freundschaft geworden. Mehrfach hatte Katty Friedrich in Xanten getroffen, und es hatte nicht lange gedauert, bis Heinrich davon Wind bekam. Eines Tages fragte er Katty, ob da ernsthafte Absichten im Spiel seien. Sie glaube, eigentlich nicht, antwortete sie, man habe niemals darüber gesprochen.
»Gut«, erklärte Heinrich daraufhin, »denn ich habe mit Gantermann gesprochen. Der junge Duckerboom ist wohl ein Lächgänger, der ist faul und arbeitet nicht gut. Für so einen Kerl sind Sie mir zu schade.«
Katty wusste, dass das nicht stimmen konnte. Friedrich war ehrgeizig, und er arbeitete viel. Sie wunderte sich, warum Heinrich Hegmann so etwas erzählte, und fragte sich, ob er sich über sie geärgert hatte. Ob sie ihre Arbeit vernachlässigt habe, erkundigte sie sich daher.
Misstrauisch und verwundert sah er sie an. »Natürlich nicht, ich bin sehr zufrieden mit Ihnen. Deshalb möchte ich Sie ja schützen. Sie sollten sich um Ihren Umgang sorgen.«
Katty wurde bockig, sie würde sich nicht verbieten lassen, wen sie mochte und wen nicht, aber vielleicht sollte Heinrich Hegmann einfach nichts mehr davon mitbekommen, entschied sie.
Und so traf sie sich fortan heimlich mit Friedrich. Es hatte bislang nie ein Tête-à-Tête gegeben, doch Katty wusste, dass Friedrich darauf drängte.
An einem Samstagabend kündigte er schließlich an, er wolle am nächsten Tag zum Frühschoppen auf den Tellemannshof kommen. Katty sagte zu, zumal sie annahm, dass Heinrich nicht da sein würde. Gewöhnlich ging er sonntags nach der Kirche in die Kneipe und traf dort die anderen Bauern. Bis er wiederkam, war es meist Zeit für den Nachmittagskaffee, und bis dahin würde Friedrich sicher wieder gegangen sein.
Katty, der inzwischen sechzehnjährige Theodor Hegmann, ihre Nichte und zwei andere Haustöchter hatten den kleinen Tisch in der Küche der Hofangestellten gedeckt. Sie lag ein bisschen abseits, und deshalb hatte Katty es für klug gehalten, hier zu frühstücken.
Friedrich wurde ein bisschen mürrisch, als er feststellte, dass sie schon wieder nicht allein wären, doch seine schlechte Laune verflog in der lustigen Runde schnell – bis man aus dem Vorderhaus Rufe hörte. Heinrich hatte nach Katty gerufen.
Die Frühstücksgesellschaft erstarrte. Alle wussten, dass Friedrich auf dem Hof nicht geduldet wurde. Und noch während Katty ein »Ich komme sofort, Herr Hegmann!« nach oben schrie, hörten sie bereits Schritte auf dem Flur.
»Schnell hier in den Putzschrank«, flüsterte Katty, zog Friedrich am Ärmel, quetschte ihn unsanft zwischen Wischmob, Eimer und Schrubber, stellte sich mit dem Rücken vor den Schrank und wartete auf Heinrichs Eintreten. Als der Hausherr hereinkam, fand er seinen Sohn und seine Haustöchter in besonders heiterem Zustand vor.
»Herr Hegmann, wir wollten gerade mit dem Putzen beginnen«, sagte eines der Mädchen, die anderen johlten vor Vergnügen.
»Warum sind Sie denn nicht in der Kneipe? Gab es heute keinen Frühschoppen?« Die letzten Worte waren in Tränen und Grunzen untergegangen. Heinrich schaute belustigt in die Runde.
»Habt ihr etwa getrunken? Kommt, dann mache ich meinen Frühschoppen eben mit euch. In der Dorfkneipe waren die Parteigänger unterwegs, da war mir nicht nach Trinken zumute. Aber hier scheint ja eine fröhliche Stimmung zu herrschen.«
Heinrich mochte seine Haustöchter, das wusste Katty. Er mochte die Jugend, die jungen Leute, mit ihnen saß er gerne zusammen und klönte, wie er es nannte, wenn er über Politik und Landwirtschaft sprach oder sich den neuesten Dorfklatsch berichten ließ. Das drohte also eine längere Sitzung zu werden. Theodor war es schließlich, der sehr zu Kattys Erleichterung die Situation rettete. Entweder hatte er ihre Not begriffen oder er hatte sich in die Lage des armen Friedrichs versetzt, der da im Schrank hockte und dem vermutlich bald die Luft ausging. Als Heinrich sich anschickte, es sich gemütlich zu machen, ergriff Theodor die Initiative.
»Vater, gut, dass du so früh kommst. Hättest du vielleicht einen Moment Zeit für mich, ich würde gerne im Büro mit dir sprechen.« Leicht ließ sich Heinrich nicht von seinem Frühschoppen abbringen, und so musste Theodor mehrfach insistieren, bis sein Vater missmutig loszog.
Katty lauschte noch eine Weile, dann erst öffnete sie den Schrank. Friedrich sah erbärmlich aus, nachdem er eine Viertelstunde lang in diesem Schrank ausgeharrt hatte, völlig bewegungslos. Er hatte kaum Luft bekommen,
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