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Wir sind doch Schwestern

Wir sind doch Schwestern

Titel: Wir sind doch Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Gesthuysen
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gemacht, dazu ein paar Kanten Brot geschnitten und Butter und Wurst auf ein Tablett gelegt.
    »Guten Morgen, Katty. Wir werden jetzt ordentlich frühstücken und uns dann an die Arbeit machen. Die Kühe wollen gemolken werden. Man hört sie schon muhen.«

    Katty war die Situation ein wenig unangenehm. Sie saß da im Nachthemd und einer verrutschten Strickjacke, wie sie am Abend zuvor ihr Bett verlassen hatte. Schnell nestelte sie an dem grauen Wolljäckchen, um ihren Busen angemessen zu bedecken. Dabei fing sie einen Blick von Heinrich auf. Der hatte längst mehr Haut gesehen, als es ihm normalerweise vergönnt war, doch er tat, als hätte er nichts bemerkt.
    Er setzte sich auf die Bettkante, stellte das Tablett auf Kattys Beine und nahm sich eine Scheibe Brot.
    Katty rührte sich nicht. Sie konnte auch nicht, denn das Tablett samt heißem Kaffee hätte sich über sie ergossen, wenn sie aufgestanden wäre. Einmal noch schaute sie verstohlen an sich herunter, dann fügte sie sich in ihr Schicksal. Sie griff ebenfalls zum Brot, schmierte ordentlich Butter darauf und belegte es mit Wurst, die Martha Zumkley selbst gemacht hatte. Katty ärgerte sich, dass sie niemals richtig zugeschaut hatte, wenn geschlachtet wurde. Natürlich hatte sie das theoretisch auf der Landwirtschaftsschule gelernt, aber hingucken mochte sie nicht, denn sie ekelte sich davor. Nun könnte es mir das Leben retten, machte sie sich über ihre Angst vom Vorabend lustig, Heinrich müsste mich nicht umbringen, wenn ich schlachten könnte, genug Tiere auf dem Hof gibt es ja.
    »Warum lachen Sie?«
    »Oh, Entschuldigung, ich musste nur an meine Dummheit heute Nacht denken.«
    Heinrich schüttelte den Kopf. »Sie hätten mich umbringen können mit diesem Fleischermesser.«
    »Sehen Sie, und kurz vorher habe ich mir vorgestellt, was Sie wohl mit mir machen, wenn die Engländer uns in den Keller sperren und wir kurz vor dem Verhungern sind.« Katty fletschte die Zähne wie ein bissiger Hund.
    »Sie meinen, ich hätte Sie verwurstet und genüsslich Stück für Stück verspeist?«, ging Heinrich scherzhaft auf sie ein.

    »Ich hätte schon einen ordentlich nahrhaften Schinken zu bieten gehabt«, feixte Katty und freute sich nach der grauenvollen Nacht über die Leichtigkeit des neuen Tages. Und Heinrich ging es anscheinend genauso.
    »… aber bestimmt nicht so leicht zu verdauen«, antwortete er schließlich: »Los jetzt, wir haben keine Zeit für Müßiggang.«
    Sie hatten sich vorgenommen, erst die Tiere in den Ställen zu füttern und dann mit Eimern und Melkschemel bepackt auf die Weide zu den Rindern und Kühen zu gehen. Eine halbe Stunde länger würden die Kühe mit ihren vollen Eutern noch warten können. Katty und Heinrich wunderten sich allerdings, dass sie so laut brüllten. Zu spät war es eigentlich nicht, die Kühe wurden oft erst gegen sieben Uhr gemolken.
    Heinrich hatte einen ähnlichen Lebensrhythmus wie Katty. Am Morgen kam er nur schwer aus dem Bett, und abends blieb er bis weit nach Mitternacht in der Stube sitzen. Oft hatten sie an langen Abenden zusammengesessen, über den Hof geredet oder Radio gehört. Heinrich hatte sie nie weggeschickt, im Gegenteil, er mochte ihre Gesellschaft, und wie sehr, das zeigte sich in der jetzigen Situation besonders, fiel ihr auf, und sie fragte sich, ob er auch einer der anderen Angestellten erlaubt hätte, auf dem Hof zu bleiben. Die anderen Haustöchter hatten sie des Öfteren wegen der Vertrautheit, die angeblich zwischen Heinrich und ihr herrschte, aufgezogen. Der Hausherr wache eifersüchtig darüber, dass kein potenzieller Ehemann ihm das Fräulein Franken vom Hof hole, hatten sie gern geneckt, und ihre Spöttelei hatte spätestens durch die Geschichte des armen Friedrich Duckerboom zusätzlichen Nährboden gefunden. Duckerboom war ein junger Anwalt aus Duisburg, der in Xanten eine Stelle in der Kanzlei Gantermann übernommen hatte. Katty hatte ihn durch Gertrud kennengelernt, denn Friedrichs Mutter war eine Kollegin von ihr, und sie hatte Katty deshalb gebeten, den jungen Mann in Xanten ein wenig bekannt zu machen. Katty hatte diesen Auftrag gerne angenommen. Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, ein bisschen zu feiern, das beherrschte sie aus dem Effeff. Sie hatte ein paar junge Leute zusammengetrommelt, und man hatte sich im Hotel van Bebber getroffen. Auch Heinrich war an jenem Abend da gewesen und hatte sich angeregt mit dem jungen Anwalt unterhalten. Es war der Beginn einer

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