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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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derartiges ausführten. Diebisch konnte er sich freuen, wenn so etwas gelungen war.
    Ich muß zugeben, daß ich davon sehr viel geerbt habe; als dann Max seine Erziehung bei mir begann, gesellte sich zu dieser Abneigung noch der Haß. Ein unausrottbarer Haß.
    Und seit dieser Zeit konnte ich mir Dinge wie Vaterland, Militär, Soldaten, Krieg und Patriotismus mit dem besten Willen nicht mehr anders vorstellen als so, wie ich meinen Bruder in Erinnerung hatte. Die Bücher, die sonstigen Aufklärungen, der ganze Gang meiner Entwicklung und der Krieg selber machten nur all dies Dumpfe klarer. Ich vergaß ganz und gar, das Drama zu schreiben, obwohl diese Aufgabe in mir allmählich zur Pflicht, zur fixen Idee, zur Besessenheit wurde. Jedesmal sprach ich mit dem Professor davon, aber keine Zeile schrieb ich. Ich ging auf in den Ereignissen. Wenn man aus den Diskussionsabenden ging, sagte man: »Also, wenn ich morgen nicht mehr zu finden bin, wißt ihr, man hat mich verhaftet.« Tief nachts, wenn ich heimkam, wachte Selma auf und jammerte. »Menschenskind, die Revolution muß ja jetzt jeden Tag angehen!« tröstete ich sie. Sie wand sich vor Übelbefinden. Sie atmete schwer, erbrach sich, klagte und hustete. Wenn dann dein Stipendium aus ist? Du hast doch ein Drama versprochen?« fragte sie mich.
    »Ach ja! Jaja! Das schreib ich schon! Das ist gleich beisammen!« wehrte ich ab. Ich verwünschte den Professor und die ganze Welt. Ich biß mich in die Gedanken, aber es fiel mir einfach nichts ein. Eineinhalb Monate waren schon vorüber, am Ende des dritten hörte das Geld also auf. Ich schnaufte schwer. Durch meinen Kopf surrten die Eindrücke. Alles war zerwühlt in mir. »Das kommt bloß von dieser idiotischen Universität, daß die Leute alle einen Fimmel für Dichter und Dramen haben. Da drinnen hören sie ja das ganze Jahr nichts anderes als immer Goethe und Faust und Schiller und Kleist und Drama!« räsonierte ich halb für mich. Dann warf ich mich ins Bett. Es fiel mir wieder Stirner ein. Aber das stimmte ja auch alles nicht!
    Auf einmal sagte ich laut und pathetisch ins Dunkel hinein: »Uns kann nur die Revolution retten!«

XIII PEGU

    »Das ist der Mann vom Jung«, sagte eines Tages der Schorsch, mit einem Fremden in mein Atelier tretend. Ich versperrte gleich die äußere Polstertür, verriegelte die innere und zog die Vorhänge zu. Der Mann war ein wenig verwundert darüber und lächelte komisch. »Spitzel! Spitzel!« raunten Schorsch und ich.
    »Sie sind desertiert und suchen wahrscheinlich hier Unterschlupf?« fragte ich den noch immer lächelnden Fremden geradewegs. Er nickte. Dann erzählte er seine Geschichte. Er war an der Front gewesen, beide Arme wurden ihm durch Granatsplitter durchlöchert, nach seiner Genesung war er garnisondienstfähig und hatte in irgendeiner Berliner Kaserne Schreibstubendienste versehen. Drei- oder viermal hatte er seinem Feldwebel gesagt: »Ich mach' nicht mehr mit ... Ich türme.« Der Feldwebel hatte nicht daran geglaubt, und schließlich war der Mann mit einem gefälschten Urlaubsschein nach München geflohen. Jung hatte ihm unsere Adressen gegeben. In der vorigen Nacht war er bei einem anderen Bekannten, und nun brauchte er eine neue Bleibe.
    »Also heißt's eben, ein Zimmer oder ein Atelier zu suchen«, sagte ich nach langem Ratschlagen und schaute den Fremden wieder an: »Wie heißen Sie eigentlich. . .?«
»Pegu«, erwiderte er und lächelte zweideutig.
    »Jaja, er heißt eigentlich nicht so ... eigentlich Glaser, aber so auch nicht. .. Das ist ja gleich«, redete Schorsch dazwischen, und wir einigten uns auf »Pegu«. Wir erhoben uns endlich. Pegu setzte meinen, ich Schorschs Hut und Schorsch Pegus Hut auf. Einzeln verließen wir sodann das Haus. Jeder ging nach einer anderen Richtung. Verabredet war, sich stets nur auf der Straße zu treffen. Ohne Selma in diese Sache einzuweihen, fing ich in den nächsten Tagen an, ein Zimmer oder Atelier ausfindig zu machen. Ich besuchte keinen Diskussionsabend der Unabhängigen mehr, um die Polizei nicht auf mich aufmerksam zu machen.
    Pegu traf ich jeden Tag. Mit der Zeit freundeten wir uns an. »Es ist schwer, was zu finden«, sagte ich ungefähr am sechsten Tag ziemlich hoffnungslos, und beide trotteten wir bedrückt dahin. Da kam mir ein unerwarteter Zufall zu Hilfe. Von weitem sah ich einen meiner Münchner Bekannten aus der Vorkriegszeit, von dem ich wußte, daß er zur Zeit in der Heilanstalt Eglfing sei.
    »Geh' jetzt

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