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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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Außenstehender, jetzt auf einmal wollte ich wirklich mitmachen. Programm hatte ich mir zwar noch keines zurechtgedacht, desto mehr jedoch schwirrten fixe Ideen tagtäglich durch meinen Kopf. Ich schrieb hochtrabende Manifeste und wollte sie als Programm der »Einzelnen« herausgeben. Der Rat geistiger Arbeiter war schon gegründet. In der Wohnung des Freiherrn von Bernus fand eine Zusammenkunft statt, bei welcher Paul Ernst, den man zum Vorstand gewählt hatte, eine Rede hielt. Drinnen saßen die Leute und horchten auf den Vortrag, heraußen im abgedunkelten Saal gingen einige herum und beredeten allerhand. Katzenstein fragte mich, ob ich Flugblätter schreiben könnte. Ich sagte zu und wollte mich erkundigen, was da zu schreiben wäre. »Ist gut, ich komme drauf zurück«, sagte Katzenstein und war schon wieder bei wem anderen. Er flitzte herum und hatte es höchst notwendig. Etliche Tage darauf bekam ich vom Verlag Georg Müller einen Brief, ich sollte hinkommen und die Redaktion einer zu gründenden Zeitschrift übernehmen. Mir schwoll der Kamm. Siehst du, sagte ich zu mir selber, wie berühmt du schon bist, und ging hin. Ein Herr Neuhöfer und ein Freiherr von Gemmingen empfingen mich. Der erstere führte das Wort. Die süddeutschen Belange wollte er sehr gewahrt wissen, gegen das Preußentum müßten scharfe Worte gefunden werden. Kurt Eisner schien das Richtige gemacht zu haben, als er seinerzeit die Zusammenarbeit mit dem Reichsaußenministerium ablehnte. »Also so eine Art Krachzeitschrift?« fragte ich.
    »Nein-nein, schon politisch, aber schneidend, verstehn Sie, schneidend! Nicht langweilig«, sagte Herr Neuhöfer.
    »Dann kaufen Sie doch den abgewirtschafteten Simplizissimus «, meinte ich, »kaufen Sie ihn und machen Sie ihn grade zum Gegenteil ... Jetzt hat er die ganze Zeit den Krieg verherrlicht und auf einmal, wenn wir ihn haben, muß er ganz radikal das Gegenteil tun ... Er muß pazifistisch, spartakistisch, bayrisch und alles, was wir wollen, sein ... Das ist doch gewiß ein Witz.«
    Der Herr schien über meine Unfähigkeit genügend aufgeklärt zu sein und sagte, ich bekäme noch Bescheid. Ich ging.
    Diese Sache aber hatte mich auf einen Gedanken gebracht. Ich suchte den Holländer auf. Wir tranken mannhaft, und so während der Unterhaltung sagte ich einmal: »Wissen Sie was ... Man müßte jetzt eine ganz radikal-satirische Zeitschrift aufmachen, die alles derart verspottet, daß die Revolutionsbonzen endlich eine richtige Revolution machen ... Diese jetzige Zeit, dieses ganze saudumme Hin und Her ist doch ein gefundenes Fressen für eine solche Zeitschrift ... Es müßte so was wie ein neuer Simplizissmus werden, verstehen Sie?«
    »Gut«, sagte der Holländer auf einmal zu meiner großen Verwunderung, »gut! Der Gedanke ist nicht dumm ... Ich hab' in Frankfurt einen Buchhändler, das ist ein guter Freund von mir ... Der kann uns da Bescheid geben ... Fahren wir morgen nach Frankfurt, und wenn sich's machen läßt, ich geb' sofort das Geld dazu ...« Ich fand vor Erstaunen das Wort nicht gleich und willigte sofort ein. »Das wird nichts als ein Saufgelage«, meinte Marietta ironisch, aber es blieb beim Entschluß. Ich ging heim, schlief die ganze Nacht nicht, packte in meinen zerschlissenen Koffer meine paar Sachen, und am andern Tag fuhren wir nach Frankfurt. Im Frankfurter Hof stiegen wir ab, ich bewohnte ein luxuriöses Zimmer herüben, der Holländer drüben, dazwischen lag ein Bad. Förmlich berauscht war ich über einen solchen Auftakt. Ich sah mich schon als allgewaltiger Redakteur in einem palastartigen Zeitungsgebäude. Es war alles fast wie ein Traum. Einen schäbigen grünen Anzug hatte ich und eingelegte Lackschuhe, die mich ungeheuer drückten. Der Holländer war wie gewöhnlich nach der neuesten Mode gekleidet.
    An einem Schreibtisch werde ich sitzen, dicke Zigarren rauchen, phantastisch viele Klingelknöpfe werden mir zu Diensten stehen, Unterredakteure, Dichter, Berichterstatter, Liftboys und Diener werden fliegend meine Befehle ausführen, gefürchtet werde ich sein bei den Oberen, geliebt vom Volk - es war überhaupt gar nicht auszudenken, was alles kam. Ich legte mich nicht hin, wie mir der Holländer geraten hatte, um ein wenig auszurasten. Ich bürstete in einem fort meinen Anzug aus, putzte mit dem Sacktuch meine Lackschuhe blank, kämmte mich und hielt mich bereit. Abends wollten wir mit den Bekannten soupieren und dann bei ausgesuchten Weinen die Sache besprechen. Der

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