Wir sind Gefangene
an. Eine prickelnde Eitelkeit beseligte mich. Noch nie stand mein Name so groß gedruckt irgendwo. Ich telegraphierte an Pegu. Er kam am andern Tag.
»Neues Etablissement! Bund freier Menschen! Geld ist da! Alles klappt!« sagte ich. Er riß Maul und Augen auf, als er die Plakate las. »Mensch, du bist ja der reinste Gegenrevolutionär!« rief er. »Ah! ... Im Gegenteil! Es muß jetzt wieder anarchistisch gearbeitet werden! Nur mit dem einzelnen ... Bevor wir nicht brauchbare Menschen haben, kann auch keine Revolution werden!« klärte ich ihn auf. Er schüttelte fort und fort den Kopf.
Ich war in einem Wirbel. Durch einige mir bekannte Studenten und Studentinnen ließ ich die Flugblätter austragen. Das Fräulein, Pegu und ich steckten sie ebenfalls in jeden Briefkasten. Massenandrang mußte es geben zur Versammlung. Pimperlwichtig war ich. Der Tag der Versammlung kam immer näher. »Haben Sie denn schon Ihre Rede?« fragte die Dame.
»Jaja, selbstverständlich«, erwiderte ich. Nicht ein Wort wußte ich. Genauso fragten das Fräulein und Pegu. Ich raste bloß herum. Was ich sagen wollte, würde sich schon ergeben, dachte ich, die Hauptsache ist ein voller Saal.
Die zweitausend Mark zerrannen wie nichts. Heimlich war mir schier Angst vor diesem Überstürzen. Dann kam also das große Ereignis. Der ganze Mathäsersaal war so gedrückt voll, daß man nicht durchkam, und draußen stand der halbe Garten Kopf an Kopf. Ich trat auf die Rednertribüne. Ein Student war der Versammlungsleiter. Er klingelte und sagte ein paar Worte. Dann kam ich. Das Fräulein saß zur Rechten und stenographierte.
»Versammelte! Menschen! Rebellen! Bürger!« schrie ich erst einmal und überlegte einen Augenblick. Es fiel mir schon fast nichts mehr ein. An den Tischen räkelten sich die Leute.
»Ich habe Sie hierhergerufen, um ein klares Wort gegen den Terror zu sagen! Terror ist Krieg! Niemand von uns will den Krieg und das Blutbad! Ich war in Berlin und habe Liebknecht gehört, habe Pogromversammlungen gesehen! Nichts als Verwirrung ist überall!« Zwischenrufe brachten mich daraus. Ich wußte absolut nicht mehr weiter und war froh, daß ein solcher Skandal entstand. Nicht lang genug konnte mir der Versammlungsleiter läuten. »Haut ihn runter!« schrien Leute, weit hinten drohte ein Arbeiter derart, daß eine kleine Rauferei entstand. Rechts plärrten die Kommunisten auf mich ein. Ich schrie mit aller Macht: »Ich bin gegen jeden Terror! Komme er her, wo er herkomme!« Es wurde immer tumultuarischer, und zum Schluß stand Joseph Sontheimer, ein Mann, der früher die Freidenkerbewegung gegründet hatte und nun radikaler Spartakist war, auf dem Podium und riß die Führung der Versammlung an sich. »Den kennen wir schon! Er ist ein harmloser Tolstojaner und sehr verworren!« fing er an, und weil nichts anderes zu machen war, rief ich auf einmal: »Schluß. Die Versammlung ist aus!« Ebenso der Versammlungsleiter. Jetzt wurde es ganz bedrohlich. Ich blieb einfach stehen und schaute dumm in das Toben, ließ Sontheimer reden. Die Diskussionen gingen durcheinander, und als man nach längerer Zeit auseinanderging, schrie es von allen Seiten :
»Der Lausbub hetzt halb München daher und sagt nichts! Durchhaun soll man ihn!«
Bedeppt wanden wir uns aus dem Menschengewühl und fuhren eiligst nach Schwabing. Am andern Tag schimpften alle Zeitungen über eine derartige Lausbuberei. Ich überdachte nur eins: Wie kommst du nun mit der Dame ins Einvernehmen. Das Geld ist fast weg und nichts ist geboten worden. Es mußte doch eine Abrechnung vorgelegt werden, wenngleich nichts Derartiges verlangt worden war.
Also gründete ich in aller Eile einen »Bund freier Menschen«. Schorsch, Pegu, ich, das Fräulein, eine andere Studentin, ein Arbeiter - das war alles. Ich ging zur Dame, spielte den vom Mißerfolg Unangefochtenen und eröffnete ihr, sie sei Ehrenmitglied des Bundes. Sie war gar nicht weiter übelgesinnt, nur hatte sie kein Interesse für unsere Gründung, dennoch sagte sie so halbwegs zu allem ja. Ich kündigte an, daß sie bald den Rechenschaftsbericht über unsere Ausgaben und unsere Arbeit erhielte. Sie wehrte ohne alles Mißtrauen ab und ich verließ sie aufatmend.
»Wir müssen ein Programm ausarbeiten«, sagte ich zu Pegu. Wir setzten uns hin und dachten nach. Siedlungen auf rein sozialistischer Grundlage war unser Hauptziel. »Gründung von Siedlungen, dadurch, daß man abgewirtschaftete Bauerngüter erwirbt, sie gemeinschaftlich
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