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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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Atelier, das Grammophon spielte, man diskutierte über Artikel in der Roten Fahne und trank Schnaps. Abends besuchten wir eine Versammlung der Syndikalisten. Für ein Zusammengehen mit Liebknecht, gegen ein Zusammengehen wurde gesprochen. Jemand stürzte in den Saal und verkündete, daß man etliche Häuser weiter ein Pogrom inszeniert habe. Einen Juden habe man meuchlings erschossen. Tatsächlich hörte man auch einige Schüsse krachen. Es wurde sehr unruhig im Saal. Ich stieg auf die Rednertribüne und schrie etwas von Generalstreik und Menschsein. Da und dort stimmte man bei, aber schon leerte sich der Saal. Draußen auf den dunklen Straßen standen Gruppen. Die typischen Gerüchte raunten sich von Ohr zu Ohr. »Nieder mit EbertScheidemann!« bellte da und dort jemand. Dann kamen starke Militärpatrouillen und räumten.
    Anderntags sollte eine mächtige Kundgebung der Spartakusleute sein. Schorsch erzählte von geheimen Anwerbungen zu Kampftrupps. Wenn man durch die Straßen fuhr, sah man hin und wieder Rottungen. Damitten sprach ein Mann für die Diktatur des Proletariats und forderte wie ein anbietender Kaufmann die Männer auf, sich mit ihm zum Kampfbund zu begeben. Die meisten machten Witze, hörten halb hin und gingen wieder, neue kamen. Abends gingen wir zu einer Versammlung, wo Liebknecht sprechen sollte. Es waren aber solche Massen erschienen, daß wir schon auf der breiten Treppe umkehren mußten. »Was ist's eigentlich?« fragte ich einen Spartakisten.
    »Kampf bis aufs Messer! Die Diktatur wird dieser Tage steigen!« sagte er.
»Und dann?« fragte ich.
    »Liebknecht und Rosa werden die Sache schon schaukeln«, antwortete der Mann. Verdrossen ging ich mit Pegu.
    »Das ist alles dummes Zeug! Immer dieses Geschieße! Es muß anders gemacht werden und zwar sofort!« sagte ich zu Pegu. »Hm«, machte der.
    Ich fuhr nach München ab. Einige Tage nach meiner Ankunft suchte ich meine Gönnerin auf und setzte ihr einen großen Plan auseinander. Nämlich es müßte gegen den Terror gesteuert werden, war meine dürftige Ansicht. Es müßte etwas getan werden, das das ganze Volk eint zur endgültigen Republik. Bevor nicht Friede in allen Schichten geschaffen sei, könnten die Staatsmänner nichts machen, und letzten Endes drohe ein unsägliches Blutbad. »Und - was wollen Sie jetzt tun?« fragte die Dame.
    »Sehr einfach!« sagte ich. »Ich halte eine große Versammlung und rede in diesem Sinn. Dann müssen die ganzen Intellektuellen bearbeitet werden, daß sie genauso einwirken, besonders die Universitätsprofessoren ... Es muß erreicht werden, daß alle Schichten erst einmal vollkommen einverstanden sind mit der neuen Zeit, dann geht es auch vorwärts ... Vorläufig muß unbedingt eine Versammlung abgehalten werden und eine Art Bund freier Menschen gegründet werden ... Dazu brauche ich Geld.«
    Der Dame leuchtete das ein. Sie zögerte nicht und gab mir zweitausend Mark für diese Zwecke. Das machte mich völlig kopflos. Ich stand auf einmal mitten in einem Unternehmen und mußte nun unbedingt etwas tun. Ich schrieb Flugblätter und ließ sie drucken. Gleich zehntausend von jedem Stück. Ich lief zu einer Plakatdruckerei und ließ ein Riesenplakat herstellen, folgenden Wortlautes:

    »Menschen aller Stände! Große off entliche Versammlung! Gegen den Terror!- Und das Menschsein! Redner: Oskar Maria Graf, München.

    Männer und Frauen! Arbeiter, Soldaten, Bürger, Künstler, Wissenschaftler, Studenten! Mitglieder aller Parteien! Menschen aller Stände! Vier Jahre wurden Menschen sinnlos hingeschlachtet. Vier Jahre erstickte die Herrschaft der Gewalt Vernunft und Menschsein! Nach vier Jahren des Schreckens, Blutens, Sterbens siegte die Revolution und brachte den Frieden, öffnete die Tore des neuen Lebens. Während die Regierungen bemüht sind, Ordnung und Ruhe zu schaffen, während jeder von uns an die Arbeit geht, wühlen Hetzer und Querköpfe, verbreiten Unruhe und versuchen das Volk aufzustacheln zu neuen Gewaltakten, bewaffneten Aufständen usw. Volk! Nach vier Jahren Mord soll kein Ende sein? Volk! Versammle dich! Sag' nein! Jeder, der das Menschsein noch nicht vergessen hat, komme! Nicht eine Partei soll gegründet werden, die nur ihr Interesse vertritt, Menschen rufen hier, die das Wohl des Volkes im Auge haben.

    Die Kameradschaft zur Gründung des Bundes
>Freie Menschen<.«

    Am andern Tag klebten die Plakate. Ich stellte mich heimlich vor die Litfaßsäulen und schaute sie mit größter Bewunderung

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