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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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scharf darauf und wollte es gerne haben. »Wem gehört denn das Album?« fragte er schüchtern den Dreier. »Dem Graf«, sagte der. »So ... Gibt er's nicht her?« fragte Peperl abermals. »Mußt ihn halt fragen«, gab ihm Dreier zurück.
    Das Bier war von der Etappenkommandantur beschlagnahmt worden, der Zutritt in die Brauerei verboten. Am Bahnhof gab es literweise zu kaufen für vierzig Pfennige. Aber wir hatten alle kein Geld.
    Dreier kam zu mir: »Du, der Peperl will dein Album.«
    »Das ist ein Vermögen wert«, brüstete ich mich, obwohl ich von Briefmarken nichts verstand. Peperl hatte an der Tür gelauscht. Ich merkte es. Er trat plötzlich ein und blieb verlegen stehen. Ich spielte den Feindlichen. Wandte mich ab. Peperl stieß meinen Kameraden. »Frag ihn doch selber! Was geht das mich an!« knurrte Dreier. Über und über rot fragte mich Peperl verlegen: »Du, Graf, gibst dein Album nicht her?«
    »Für dreihundert Mark kannst du's haben«, warf ich ihm hin. Peperl atmete hörbar auf, besah sich gierig das Objekt, ging wieder hinaus und vor ins Büro.
    »Paß auf, der Depp muß schwer blechen ... Das gibt einen Suff für den ganzen Stab«, sagte ich zu Dreier und der war gleich auf meiner Seite. Den anderen wurde es gesagt. Peperl wurde indirekt bearbeitet. Es wirkte.Abends erzählte er uns von baldigen Kontributionsgeldern. Wir spitzten schon.
    Tiefatmend trat anderntags Peperl wieder an mich heran und sagte: »Also Graf, zweihundert Mark kriegst du.«
    »Was!« donnerte ich. »Lieber werf ich das ganze Zeug in den Ofen.« »Na, sagen wir zweihundert und eine Zeche für den ganzen Stab«, schlug der kleine Kraftfahrer Römer vor. Peperl wand sich, kratzte sich und überlegte hin und her. »Überhaupt! ... Was ist mit den Kontributionsgeldern?« riefen wir alle zugleich.
    Peperl wurde schon wieder wirr und beteuerte: »Ich hab's doch noch nicht!«
    »Dann schmeiß wenigstens eine anständige Zeche!« riefen wieder einige. Das Eis war gebrochen.
    »Also Graf, zweihundert und eine Zeche? ... Und gut sind wir auch wieder?« gab Peperl zu und streckte mir die Hand hin.
    »In Gottes Namen«, sagte ich scheinbar unzufrieden und schlug ein. Dann ging es zum Bahnhof. Ein wüstes Saufen begann. Peperl wurde unruhig.
    »Jetzt-jetzt, jetzt ist's aber genug! Genug, genug!« wimmerte er schon. Aber wir hörten nicht. Weitere, immer weitere Runden wurden bestellt. Peperl saß wehrlos und bleich da und bezahlte mechanisch. Zuletzt waren nur Dreier, Römer und ich noch da. Peperl hatte sich heimlich davongemacht und die anderen waren auch weg. Wir sangen Trinklieder und machten den ganzen Saal toll. Endlich zogen wir, furchtbar auf Peperl schimpfend, ab. Um neun Uhr hieß es daheim sein. Es war schon weit darüber. An einer Ecke pißten wir. Auf einmal schrie Dreier davonstürzend und Römer mitziehend: »Mensch, der Major und der Leutnant! Graf saus!«
    Ich zuckte zusammen. Die beiden Offiziere standen schon da. Ich machte, ohne mich vorher in Ordnung gebracht zu haben, erschreckt und verwirrt eine Kehrtbewegung und stand stramm da. Die beiden Offiziere starrten wortlos auf mich und schüttelten bloß die Köpfe. »Der Mann ist doch nicht normal«, sagte der Major und der Leutnant kläffte: »Schauen Sie, daß Sie nach Hause kommen, Sie Trottel!« Ich schloß stumm meine Hosenöffnung und ging bedeppt weiter. Auf einmal fing ich zu laufen an. Die beiden waren in einer Seitenöffnung verschwunden.
    Am andern Tage wurde ich dem Leutnant vorgeführt. Es gab einen heftigen Krach. »Der Schandfleck der ganzen bayrischen Armee sind Sie!« brüllte er in einem fort. Ich mußte zehnmal Kehrtbewegungen im Büro machen und bekam vier Tage »Strengen«. Von da ab war ich sozusagen nicht mehr normal. Es wurde schon gemunkelt, daß der Major sich mit dem Gedanken trage, mich auf meinen Geisteszustand untersuchen zu lassen. Aber wir kamen noch weit und die Zeit strich hin. Wilna schwamm wie eine märchenhafte Erinnerung vorbei. Russische Andacht gab sich als ein Erlebnis, und die goldenen Kuppeln der Kirchen blieben unvergeßlich. Die anderen machten Weibergeschichten. Ich las. Es hieß schon: »Der Narrenhausbruder.«

XVII
DER KAMPF BEGINNT

    Ein Brief kam, daß Jung desertiert sei und nun in einer Irrenanstalt sitze. Es ging die Rede im Stab, vor Kowno habe ein Regiment gemeutert; vor Wilna hätten die Truppen den Befehlshabern die Gewehre und die Kriegsauszeichnungen vor die Füße geworfen und gesagt: »Für ein Kommißbrot

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