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Wir sind Gefangene

Wir sind Gefangene

Titel: Wir sind Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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Die junge Frau war faul und machte ewig eine Trauermiene. Jeden Tag wurde sie dicker.
    Nach Ablauf des Urlaubs meldete ich mich wieder auf der Schreibstube meines Truppenteils, wurde aber auf Drängen des ängstlichen Wachtmeisters abermals untersucht und ins Barackenlazarett Oberwiesenfeld eingeliefert. Magenkatarrh, hieß es. Schorsch, der damals im Bezirkskommando als Garnisondienstführer diente, besuchte mich etliche Male. Er verfolgte die Zeitungen und sagte beim Debattieren stets: »Das geht noch jahrelang, wirst du sehen.«
    »Dann sind wir alle Landsknechte und Räuber und Mörder ... Das ist ja auch ganz gut«, meinte ich. Was kümmerte mich das Morgen und das Übermorgen!
    Wieder auf der Schreibstube erscheinend, wurde ich vom Wachtmeister gewichtig empfangen. Er erkundigte sich nach meinem Gesundheitszustand und fragte: »Wollen Sie wieder zu Ihrer Truppe? Eben hat Ihr Major geschrieben.« Ich freute mich sehr, wieder zu meinen alten Leuten zu kommen, wurde neu eingekleidet und kam noch in derselben Nacht fort. Zum Glück wurde ich einem nach Osten gehenden Transport zugeteilt, der beauftragt worden war, mich in Marggrabowa abzuliefern. Meine Unkenntnis im Bahnfahren hätte mich vielleicht nach einem ganz anderen Ort gebracht. Es war ja schon bei der Hereinfahrt von der Front so gewesen: Ich überließ mich einfach sozusagen auf Gut Glück dem Zug und ging stets mit dem Haufen, der »Berlin« oder »München« sagte.
    Trotzdem ereignete sich ein Zwischenfall. In Schwandorf nämlich hatten wir Aufenthalt und ich ging auf den Abort. Inzwischen fuhr der Zug mit den Leuten ab. Ich lief zum Stationsvorstand und meldete mich höchst erregt. Ein Telegraphieren ging an und der ganze Tansport mußte mich in Marktredwitz abwarten. Der Zugführer, ein Unterveterinär, machte einen Höllenkrach und drohte mit allen möglichen Strafen. Ich aber wurde davon nicht im mindesten eingeschüchtert, denn meine Ansicht war, daß ich diesem Vorgesetzten gar nicht unterstand und lediglich mitführe. Frech sagte ich: »Ich untersteh' Ihnen überhaupt gar nicht!«
    Der Unterveterinär wurde ungeheuer wütend und schrie wie ein Mordbrenner: »Was!... Na warten Sie! Sie denken noch an mich! Ich melde Sie bei Ihrem Stab! Wir wollen doch sehen.«
    Ich schaute ihn dreist an und ging ins Coupé. Auf der ganzen Fahrt wollte er mich schikanieren, indessen schien er tatsächlich den Glauben angenommen zu haben, ich sei mein alleinig Verantwortlicher. Er war zwar mein Todfeind, unternahm aber nichts mehr gegen mich. Ich malte mir freilich genau aus, daß der Major mich bei der Meldung sofort einsperren würde, aber daran lag mir wenig. Komischerweise jedoch vergaß, scheint es, der Herr Unterveterinär alles beim Ankommen.
    Unseren Stab traf ich sehr häuslich eingerichtet und bedeutend erweitert an. Von den alten Leuten waren nur mehr Dreier, Peperl und der kleine Kraftfahrer da. Auch der Oberleutnant hatte mit dem Major Zwist bekommen, wie ich erfuhr. Er ging mit seinem Diener an die Westfront, und ein sehr geschniegelter Leutnant kam an seine Stelle.

XVI
»ZUR BESONDEREN VERWENDUNG«

    Die ersten Tage verliefen, ohne daß man richtig Notiz von mir nahm. Dann wurde ich als Ordonnanz verwendet, mußte im Büro sitzen und Telegramme auf die Post tragen. Meistens blieb ich - obwohl die Post höchstens zehn Minuten entfernt war - sehr lange aus. Mich interessierten die Teebuden, die Volkstypen und die verwüsteten Häuser viel mehr. Ich suchte die umgekrempelten Räume durch, schnüffelte nach Büchern und las sie. Es fragte auch kein Mensch nach mir. Ich schien unverwendbar zu sein. Der Diener des Majors wurde krank. Ein anderer war nötig. Jeder machte sich weg. Keiner hatte Lust, den Posten zu übernehmen und sich wegen der geringsten Kleinigkeit einsperren zu lassen.
    Peperl kam zu mir und sagte gewichtig: »Graf, du mußt Majorsdiener werden. Mach dich fertig und geh hinauf zum Major. Aber stell dich nicht so dumm, sonst müssen wir uns alle schämen und ich kann wieder die Suppe für alles auslöffeln. «Ich tat, wie mir geheißen, zog mich an und ging also zum Major.
    »Zu Befehl, Herr Major, - Verzeihung, ich soll Ihr Diener werden«, sagte ich und stellte mich stramm, legte die Hände an die Hosennaht. Der Major maß mich und sagte sein langgedehntes »Ja-a.« Ich stand einen Augenblick unschlüssig da und sagte alsdann stotternd: »Ich möchte Herrn Major bitten, sagen zu dürfen, daß ich kein Talent dazu habe. Ich habe noch nie

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