Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
– Hausfrau vorzukommen. Und noch schlimmer: Sie fing an, sich wie eine frustrierte Hausfrau vorzukommen. Bei jedem Handgriff – und es waren viele, viele Hangriffe im Laufe eines Tages, einer Woche, eines Monats – murrte ein ehemals total unkonventionell-ausgeflipptes Fräulein in ihrem Ohr: Wer bin ich denn, dass ich hier alles wegmache … warum muss ich immer … könnte doch auch mal er … hat der heute überhaupt schon einen Finger krumm gemacht …
Sie startete verschiedene Versuche der Umerziehung. Sie schrieb ihm Einkaufszettel, die er dann nicht einsteckte, weil er Einkaufszettel wahnsinnig spießig fand. Was zur Folge hatte, dass er – statt Biofrischmilch, Vollkorntoastbrot, Windeln Gewichtsklasse 7–18 kg und magerem Kräuterkäse – Schafskäse, Knoblauch, Ingwertee, Klopapier und Kinderzahnpasta mit Erdbeergeschmack (»Die kannst du gleich wegschmeißen. Du weißt doch, dass die Kinder nur die nehmen, auf der Ernie und Bert drauf sind!«) mitbrachte. Sie stellte Putzpläne auf, die er boykottierte, weil er Putzpläne noch spießiger fand als Einkaufszettel – »Warum soll ich putzen, wenn hier noch alles sauber ist?«.
Sie legte die Hausarbeit eine Woche lang kommentarlos nieder, nahm sie dann aber wieder auf, als die Kinder keine sauberen Unterhosen mehr hatten. Sie bezweifelte, dass er es überhaupt gemerkt hatte.
Sie rief den Babysitter nicht rechtzeitig an, als sie gemeinsam zu einer Ausstellungseröffnung eingeladen waren. Und weil er es natürlich auch nicht tat – »Wieso sollte ich, du machst das doch sonst auch immer, wie kann ich ahnen, dass ich es diesmal machen sollte?« –, fiel die Vernissage aus und sie redeten zwei Tage lang nicht miteinander.
Sie begann die Kinder als Waffen einzusetzen. Er tat nicht, wie sie ihm geheißen hatte? Na gut, dann musste sie eben übermorgen am frühen Abend dringend weg. Auf seine Nachfrage murmelte sie etwas von Vorstellungsgespräch, Friseur, Zahnarzt oder so ähnlich, er hörte ihr ja sowieso nicht zu. »Da kann ich die Kinder natürlich nicht mitnehmen, das macht doch keinen guten Eindruck, oder was meinst du, Schatz?«
Also musste er früher nach Hause kommen. Sie ließ das Baby extra keinen langen Mittagsschlaf machen, damit es nachmittags besonders müde und quengelig war. Und natürlich schrie es schon, als Mama die Wohnung verließ. Oh, das tat ihr aber Leid. Sollte er doch zusehen, wie er es wieder beruhigte. Waren doch auch seine Kinder. Und die würden ihn schon ausgiebig quälen, auf die war Verlass. Und ins Bett kriegen würde er sie schon gar nicht, weil er ja die komplizierten Abendbrot- und Einschlafrituale nicht kannte. Was natürlich auch seine Schuld war, er könnte ja auch abends mal ein bisschen früher nach Hause kommen.
Als sie gegen elf Uhr nachts siegesgewiss die Wohnung betrat, lagen Mann und Kinder Arm in Arm schlafend auf der Couch vor laufendem Fernseher, während auf dem Wohnzimmertisch die erkalteten Reste vom Pizzabringdienst verteilt waren. »Wir hatten einen total netten Abend«, flüsterte ihr Mann, noch nicht ahnend, wie viel geballte weibliche Wut ihn in der nächsten Sekunde treffen würde: Was ihm einfiele – die Kinder so lange aufbleiben zu lassen, wo sie doch morgen wieder früh aufstehen müssen, und überhaupt, einschlafen vor dem Fernseher, wo gibt’s denn so was, und sie vorher womöglich nicht mal gewaschen und ihnen die Zähne geputzt zu haben, und wer das wohl morgen wieder alles ausbaden müsse, wenn es dann hieße »bei Papa mussten wir auch nicht«. Oder ob jetzt jeden Abend Fastfood bestellt und vor der Glotze genächtigt werden solle. Und wie es hier aussehe, ob man ihn denn nicht mal einen Abend mit den Kindern alleine lassen könne. Das Chaos hier könne er jetzt jedenfalls alleine beseitigen, sie gehe ins Bett.
Tagelang konnte sie kaum sprechen vor Wut. Nur im Kopf wurden auf einer Strichliste unermüdlich seine weiteren Vergehen notiert: schon wieder das Geschirr nicht in die Maschine geräumt, schon wieder die Milch nicht weggestellt, schon wieder die stinkende Windel auf dem Wickeltisch liegen gelassen, schon wieder Zahnpasta im Waschbecken verschmiert, schon wieder den Kindern die schlammigen Schuhe nicht vor der Tür ausgezogen. Er meinte wohl, das mache sich hier immer alles von alleine! Er dachte wohl, sie sei hier das Dienstmädchen!
Übrigens, er dachte nicht und meinte nicht. Sein Hirn quälten ganz andere Fragen: Wohin war die Frau verschwunden, die ihm lächelnd
Weitere Kostenlose Bücher