Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
ihr. Sie schnaubt. Verächtlich. Als ob sie jetzt in Stimmung wäre. Aber schön, dass er den Kopf dafür frei hat. Einschlafend spielt sie mit dem Gedanken, am Wochenende einen Hausputz zu veranstalten. Die Schränke – innendrin überfüllt und obendrauf staubig, der Fernseher – voller Fettfinger, das Gewürzregal – speckig, unterm Bett – Wollmäuse, hinter der Waschmaschine – Schimmel, Kalk und bestimmt auch ein paar verloren gegangene Unterhosen. Ihr letzter Gedanke gilt der Spülmaschine: Das Warnlämpchen ist vorhin angegangen. Klarspüler ist alle.
Nach seinem Auszug war sie plötzlich nur noch halb so müde wie früher. Und schlief doppelt so gut. Ob es daran lag, dass die Einkaufstüten nicht mehr so schwer an ihren Armen zerrten, die Wäsche auf dem Ständer seltener und lichter hing und fast keine Spritzer mehr hinterm Klo wegzuwischen waren? Oder doch vor allem daran, dass der reibungslose Ablauf der täglichen Erledigungen nun endlich um den Risikofaktor Mann bereinigt war? Keine Erinnerungs-SMS mehr, kein entnervtes Bitte-könntest-du-mal, kein nervöses Warten, ob er es diesmal rechtzeitig nach Hause schafft, damit sie ihren Termin beim Gynäkologen pünktlich wahrnehmen konnte. Das wurde jetzt alles von der Chefin höchstselbst organisiert und umgesetzt. Und diese Personalunion war ungemein effizient.
Und noch etwas erfreute die Leiterin des erfolgreichen kleinen Familienunternehmens: dass man jetzt endlich nicht mehr vortäuschen musste, in diesem Haushalt erledigten zwei Erwachsene gleichermaßen engagiert die anfallenden Aufgaben. Während sie hintenrum mit den Zähnen knirschte, wenn er sich in der Öffentlichkeit mal wieder als großer Freund des Bügeleisens und überhaupt als gewissenhafter Verfechter partnerschaftlicher Arbeitsteilung darstellte. Und dann von der Lebensgefährtin auch noch ernsthaft gelobt werden wollte, wenn er einmal im Jahr eine Tüte Suppenpulver anrührte, die Schuhe putzte oder den Weihnachtsbaum die Treppe raufschleppte. Dabei war es selbst den Kindern schon aufgefallen, dass es mit der Gleichheit der Geschlechter nicht weit her war:
»Mama, wenn ich groß bin, wird ich dann ein Papa oder eine Mama?«
»Es heißt ›werd‹, und wenn überhaupt, dann wirst du wohl eher eine Mama.«
»Und was muss man als Mama alles machen?«
»Na, alles Mögliche, auf die Kinder aufpassen, Essen kochen, sie ins Bett bringen.«
»Genau, und spülen und sauber machen und saugen, stimmt’s?«
»Ja, auch. Aber das müssen die Papas ja auch machen.«
»Aber die Papas sind doch immer arbeiten.«
»Aber doch nicht immer. Und außerdem können natürlich genauso gut die Papas zu Hause bleiben und auf die Kinder aufpassen, während die Mamas weg sind und arbeiten. Das geht auch.«
»Aber bei uns nicht, stimmt’s, Mama?«
»Wieso, ich geh doch auch arbeiten. Und dein Papa hat doch letzte Woche, als ich mal nicht da war, auch Pfannkuchen gemacht, oder nicht?«
Das Kind konnte seiner Mutter in diesem Punkt zwar nicht widersprechen, bekam aber dennoch eine leise Vorahnung davon, was mit dem Sprichwort »Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer« gemeint sein könnte.
Solche Diskussionen kamen übrigens nicht mehr vor, seit der Kadett zum letzten Mal um die Ecke gebogen war. Aber das Beste an der neuen Situation: Das bisschen Haushalt wurde wieder zu dem, was es sein sollte – die schönste Nebensache der Welt. Über die sie sich nicht ärgern musste. Denn bevor sie sich über irgendwas ärgerte, machte sie es eben. Schnell mal. Vorzugsweise nachts oder nebenher, wie es gerade passte. Oder sie machte es eben nicht, weil es gerade nicht passte.
Auf diesem Weg entdeckte sie übrigens auch die verloren geglaubten Freuden der häuslichen Grundreinigung wieder. Dieser anmutige Tanz mit dem Staubwedel, diese Befriedigung, wenn Oberflächen wieder strahlen, diese unbändige Freude an blütenweißen Steckdosenverschalungen und polierten Scheuerleisten. Aber auch ein Gefühl aus ihrer Studienzeit kam wieder zum Vorschein: die friedliche Gleichmut, die einen befällt, wenn man bodentief im eigenen gemütlichen Saustall versinkt. Den man natürlich irgendwann in naher Zukunft im Alleingang und im Handumdrehen wieder aufräumen wird. Heute zwar noch nicht, aber bald, sehr bald. Wenn die Zeit dafür reif ist.
Auf einmal jedenfalls fühlte sie sich in der eigenen Haut und in den eigenen vier Wänden wieder pudelwohl. Vorläufiger Höhepunkt ihres wieder gefundenen seelischen
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