Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Handystandleitung zur besten Freundin steht schon. »Also, hinter der Esso-Tankstelle links, dann gleich wieder rechts, links, rechts, geradeaus, dann in einen Schotterweg einbiegen, den Hügel rauf, runter, um die Kurve, dann auf die Teelichter achten, ja?«
»Ich versteh dich so schlecht, es ist voll laut hier, aber du findest das schon.«
Der Taxifahrer verfährt sich dreimal und verlangt zuletzt 43,20 €. Sie rundet übermütig auf 50 € auf. »Der Rest ist für Sie!«
Gut, vielleicht wird dieser Abend ein Vermögen kosten. Aber er wird es wert sein. Jeden verdammten Cent. Sie schwingt ihre Beine aus der Beifahrertür und stöckelt in die Dunkelheit davon.
Sechseinhalb Stunden später schließt sie schwankend ihre Wohnungstür wieder auf. Drinnen in der Wohnung hüpfen zwei wache Kinder begeistert auf einem schläfrig aussehenden Onkel herum. »Na, wie war’s?«, kann der gerade noch fragen, ehe er die nächste Stoffgiraffe auf den Kopf gehauen bekommt.
»Nicht übel«, lallt sie heiser, »gar nicht übel.« Mühsam streift sie sich im Stehen die Schuhe von den geschwollenen Füßen, nicht ohne sich mit einer Hand an der Wand abzustützen. »Ich habe Schokocroissants mitgebracht. Kochst du uns einen Kaffee, während ich schnell mal duschen gehe?«
Und dann bewegt sich ein sehr mattes, aber sehr zufriedenes Oberhaupt einer munteren Kleinstfamilie in Zeitlupe Richtung Badezimmer.
Der Rest des Tages vergeht mit so gemütlichen Vorgängen wie Chips essen, Cola trinken und Videos gucken. Bei Letzterem kann man übrigens hervorragend unauffällige kleine Nickerchen machen, solange nur der mütterliche Gesamtkörper dem Fernseher zugewandt bleibt – sonst schöpft die misstrauische Brut gleich Verdacht: »Mama? Mama! Ma! Ma! Mach die Augen auf! Du sollst nicht schlafen!«
Das Beste aber hat sie sich für den Abend aufgehoben, als die lieben Kleinen endlich wieder in ihren Betten liegen: das telefonische After-Show-Ablästern.
»War das ’ne geile Party, oder?«
»Ja, ey, haben wir gefeiert.«
»Und ich war so betrunken, ich hätte fast noch ins Taxi gekotzt.«
»Hast du gesehen, wie peinlich Ulrike wieder war? Die trinkt drei Sekt und wirft sich dann original jedem an den Hals.«
»Aber am übelsten waren die drei fetten hässlichen Typen links neben der Box.«
»Der eine hat dich übrigens den ganzen Abend angeglotzt.«
»Igitt.«
»Trotzdem. War ’ne geile Party.«
»Allerdings.«
»Genau.«
»Ja.«
Bewerbung No. 53
Sehr geehrter Herr Schmidt,
sicher sitzen Sie gerade in Ihrem rückenfreundlichen Bürostuhl, neben sich Körbe voller Bewerbungsschreiben, die nun im Schnelldurchgang gesichtet werden wollen. Da werden wieder schöne Nieten dabei sein, denken Sie, und vor Ihrem inneren Auge ist Ihnen schon Ihr idealer Kandidat erschienen. Er ist 33, männlich, solide, heterosexuell. Engagiert und motiviert soll er sein, bereit zu unbezahlten Abend-, Nacht- und Wochenendeinsätzen. Meinetwegen soll er Familie haben, denken Sie, hübsche Frau, zwei süße Kinder, um die er sich nicht zu kümmern braucht, dafür aber eine Eigentumswohnung, die er abbezahlen muss. Im Klartext: Babyfoto als Bildschirmhintergrund: ja; krankmelden, weil die Kinder Scharlach haben: natürlich nein.
Sie seufzen tief und machen sich an den Stapel. Aber bevor Sie nun wieder die allein stehenden Mütter zuerst aussortieren, halten Sie einen Moment inne und schenken Sie mir kurz Ihre werte Aufmerksamkeit. Nicht, dass Sie denken, ich verdächtige Sie der Diskriminierung. Ich weiß, dass Sie Frauen immer gut und gerne gefördert haben. Denn Frauen – das weiß jeder kluge Arbeitgeber von heute – sind schließlich die besseren Männer: Sie sind eifrige Bienchen und selten aufsässig. Und was den Personalchef besonders freut: Auch wenn Frauen sonst fast alles können, die Kunst der Gehaltsverhandlung beherrschen sie überhaupt nicht. Deshalb haben sicher auch Sie schon lange ein unternehmerisches Herz für Frauen. Aber jetzt ist es an der Zeit, Ihr Herz für Mütter zu entdecken.
Sie ahnen nämlich nicht, welche geballte Arbeitskraft Ihnen da durch die Lappen geht. Man nennt uns auch Powermuttis, Multi-Management-Mamas oder die Geheimwaffe der neuen Arbeitsmarktpolitik. Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, dass sich in uns Können mit Motivation, Effizienz mit emotionaler Intelligenz aufs Perfekteste paaren. Um ins Detail zu gehen: Wir sind nicht nur konsensorientierter, geduldiger, mitfühlender und teamfähiger
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