Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
(kurz: mütterlicher) als der Rest der morgenmuffeligen, internetsüchtigen und Büromaterial klauenden Arbeitsnation. Wir funktionieren auch besser und schneller als der Durchschnittsarbeitnehmer. Wir laufen – jetzt mal ganz sinnbildlich gesprochen – nicht dreimal zwischen Küche und Kinderzimmer hin und her, ohne auf jedem der Gänge etwas mitzunehmen, hinzubringen, aufzuheben, wegzuräumen.
Wir sind Meisterinnen modernen Zeitmanagements und die heimlichen Erfinderinnen optimierter Arbeitsabläufe. Wir reagieren in Sekundenbruchteilen auf Unvorhersehbares. Wir haben zu jedem Plan A einen Plan B, C und D. Und meistens sogar noch einen Plan E, ein aufgeladenes Handy und eine Ersatzwindel in der Handtasche. Wir handeln umsichtig und vorausschauend. Wir sind immun gegen Erkältungskrankheiten und auch gegen andere lächerliche zivilisatorische Zipperlein.
Aber ich will auch unsere wenigen Schwächen nicht unterschlagen: Wir arbeiten lieber hurtig als gemächlich. Wir rauchen nicht, stehen wenig in Teeküchen herum, gehen selten zu ausgiebigen Lunch-Verabredungen und noch seltener abends aus. Und zugegeben: Es gibt Zeiten und Tage, da wirken wir etwas gehetzt und abgekämpft. Manchmal könnte unser Styling besser sein. Und unsere Loyalität und unser Verantwortungsgefühl der Firma gegenüber wirken gelegentlich ein bisschen überzogen. Wenn wir uns zum Beispiel trotz Hirnhautentzündung lieber an den Arbeitsplatz schleppen, als auch nur den leisesten Verdacht aufkommen zu lassen, wir würden womöglich häufiger krankfeiern als die Kollegen.
Aber all das kann Ihnen ja nur recht sein. Denn gerade dämmert Ihnen, dass Sie für Ihre freie Stelle niemand anderen als eine allein erziehende Mutter wollen. Und noch eine großartige Idee ist Ihnen jetzt gekommen: Sie werden dieser Mutter die Vollzeitstelle als Teilzeitstelle anbieten. Vielleicht gibt ja sogar das Arbeitsamt noch was dazu. Auf jeden Fall sparen Sie so eine Menge Personalkosten. Und vor lauter Dankbarkeit wird die Frau das geforderte Arbeitspensum ganz sicher auch in der Hälfte der Zeit schaffen. (Natürlich wird sie.)
Schon jetzt bedanke ich mich für Ihr großzügiges Entgegenkommen und gelobe Produktivität und Fleiß bis an mein Lebensende.
Ihre
Astrid Herbold
Eine halbe Portion
A ls junge Frau und Mutter ohne männlichen Anhang hat man wenig Alternativen, was die Gestaltung der Oster-, Weihnachts-, Pfingst- und sonstigen kirchlichen Feiertage angeht. Die alten Freundinnen, die schon vollständige Familien erfolgreich zu gründen in der Lage waren, feiern neuerdings samt Mann und Maus in den eigenen vier Wänden; die Singles sind erst zum Vollfressen kurz zu Hause bei den Eltern und treffen sich dann noch zum ausgiebigen gemeinsamen Berauschen in der alten Stammkneipe. Dem gefallenen Mädchen bleibt stattdessen nichts als der enge Platz im elterlichen Reihenhaus zwischen Mutti und Vati, die sie mittlerweile der Einfachheit halber (sprich: um das hoch begabte eigene Kind nicht mit abweichenden Verwandtschaftsbezeichnungen zu überfordern) »Omi« und »Opi« nennt.
Wie jedes Mal zu den Feiertagen hat Omi das alte Kinderzimmer liebevoll hergerichtet: das keusche 90×200-cm-Bett mit der vertrauten braun-gelb-grünen Siebziger-Jahre-Bettwäsche bezogen, das Regal mit den vergilbten Hanni - und - Nanni -Büchern abgestaubt und die Grünlilie gegossen, die noch immer auf der Fensterbank steht. Ein bisschen gemein findet es die ledige Tochter ja, dass bei den viel selteneren Besuchen der verheirateten Geschwister immer sofort ein Hotelzimmer bestellt wird. »Das ist euch doch sicher lieber, ihr wollt doch nicht hier im engen Kinderzimmer schlafen, oder?« Aber selbst das Enkelkind, zu dem sie ja auch nicht gekommen ist wie die Jungfrau zum Kinde, taugt in Omis Augen offenbar nicht als hinreichender Beweis, dass die Tochter den Jugendzimmerzeiten ein für alle Mal entwachsen ist.
Kaum hat sie also ihre Reisetasche in das Zimmer mit den Pferdevorhängen geräumt und auf der geblümten Couchgarnitur den ersten Kaffeemaschinenkaffee mit Kaffeesahne geschlürft, kaum sind die ersten drei Stücke des selbst gebackenen Apfelkuchens verzehrt und das Enkelkind auf dem Schoß des stolzen Opis geparkt, kann die seit Jahr und Tag um ihre allein stehende Tochter hochbesorgte Omi auch schon nicht mehr mit ihrer üblichen Feiertagsfrage hinterm Berg halten: »Und, gibt’s was Neues?«
Mit »was Neues« meint Omi in diesem Fall nur eins: einen Mann, seines
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