Wir sind Heldinnen: Aus dem unglaublichen Leben der Alleinerziehenden (German Edition)
Zeichens Held und Retter jeder ledigen Mutter. Einen, der »ordentlich verdient«, gut aussehend, höflich und kinderlieb ist. Mütter wünschen ihren Töchtern beharrlich solche Männer an den Hals, auch wenn die seit ihrem vierzehnten Lebensjahr immer nur langhaarige Kiffer und brotlose Poeten angeschleppt haben.
»Neues? Ach ja, ich habe mir einen DVD-Player gekauft.«
Damit könnte der Dialog mit Omi vorerst beendet sein. Könnte, ist aber nicht. Denn Omi schiebt gleich noch ein verschwörerisch-leises »Hast du denn was von ihrem«, an dieser Stelle: unauffälliges Nicken in Richtung Kind auf Opis Schoß, »Vater gehört?«
»Nein, Mutter, habe ich nicht.«
»Musst du ja nicht gleich beleidigt sein – ich frag ja nur.«
Ersterbende Stimmen. Längeres Schweigen. Dann ein versöhnliches »Willst du noch einen Kaffee?«
»Ja, danke, gerne.« Wer aber jetzt denkt und hofft, die heiklen Themen seien damit abgehakt, der irrt.
»Mal eine ganz andere Sache«, setzt Omi sogleich flüsternd wieder an, »hast du dran gedacht, da mal was aufzusetzen?«
Mit »was aufsetzen« meint Oma das Testament ihrer ledigen Tochter. Ähnlich schlimm wie die Befürchtung, die Tochter könnte auf ewig Single bleiben, ist für Omi nämlich nur die Vorstellung, die Tochter könne überraschend ableben, ohne ihre »Angelegenheiten« ordentlich geregelt zu haben. Dabei interessiert Omi sich weniger dafür, wer die gebrannten CDs oder die überschaubare und hauptsächlich aus vergilbten Taschenbüchern bestehende Bibliothek erben soll. Viel dringender ist die Frage: Wer kriegt das Kind.
Die Sache ist tatsächlich nicht ganz einfach und bereitet der quietschlebendigen und putzmunteren Mama regelmäßig schlaflose Nächte. Vor allem, wenn längere Autofahrten oder interkontinentale Flugreisen ins Haus stehen. Wären die Eltern, die schon seit Jahren Interesse anmelden, wirklich die beste Wahl? Was, wenn man es lieber der großherzigen Patentante oder der kinderlieben Schwester vererben würde? Aber die müsste man ja vorher mindestens mal fragen. Wenn nur solche Gespräche nicht so peinlich wären. Und so merkwürdig theoretisch, weil man sich ja ohnehin in Wahrheit kein bisschen um die eigene Sterblichkeit sorgt. Und wie setzt man so einen Erlass auf, dass er im Notfall auch juristisch Bestand hat? Und auf jeden Fall dafür sorgt, dass der seit Jahren verschollene Vater nicht doch noch aus der Versenkung auftaucht und seine vermeintlichen Rechte anmeldet? »Hiermit verfüge ich, dass mein Kind nach meinem Ableben zu seinem Wohle und meiner Beruhigung bei seinen Großeltern mütterlicherseits aufwachsen soll. Oder notfalls bei meiner lieben Schwester, seiner Tante, oder bei meinem fröhlichen Bruder, seinem Onkel, auch wenn dieser Bruder nur eine Einzimmerwohnung hat und auch sonst ein ziemlicher Junggesellen-Hallodri ist. Oder es soll bei meiner besten Freundin leben, seiner Patentante, die der freundlichste, geduldigste und liebste Mensch auf Erden ist. Aber am besten vielleicht doch bei Omi und Opi. Und wenn es in die Pubertät kommt, soll das Kind gefälligst nicht so pampig zu ihnen sein, denn dann sind sie schon ziemlich alt und können keinen Stress mehr vertragen. Andererseits sollen sich die gutmütigen Großeltern auch nicht immer breitschlagen lassen – vor allem nicht zu einem eigenen Fernseher im Kinderzimmer – und das Kind nicht von morgens bis abends mit Fruchtzwergen voll stopfen. Denn da ist, glaub es mir doch, Omi, viel zu viel Zucker drin, auch wenn außen auf der Packung das Gegenteil behauptet wird. Und Opi, das Kind muss irgendwann lernen, sein Fleisch alleine zu schneiden und seine Schnürsenkel alleine zuzumachen.«
War das jetzt ein salomonisches Urteil? Schon sah sie vor ihrem inneren Auge die nach ihrem tragischen Tod heillos zerstrittene Familie sich vor einem Fernsehgericht anschreien und beschimpfen. Und das verwaiste Kind saß stumm in der ersten Bank. Ach, das waren doch alles schrecklich deprimierende Gedanken. Das Beste wird einfach sein, man stirbt erst mal nicht. Zum Glück unterbricht an dieser Stelle Opi die düsteren Visionen seiner Tochter mit einem sehr gegenwärtigen Anliegen: »Und, kommst du klar mit dem DVD-Player?«
»Klar, komm ich klar.«
Erneutes Schweigen. Denn das glaubt Opi nun nicht so ohne weiteres. Wenn seine Tochter tatsächlich klarkäme, wie kommt es dann, dass er ein paar Mal im Jahr mit seinem Werkzeugkoffer ausrücken muss, um in dem kümmerlichen
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